21.11.2024
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Dokument-Nr. 33057

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Oberverwaltungsgericht Koblenz Beschluss26.06.2023

Kind hat Anspruch auf Zuweisung an eine "Wunschschule" außerhalb des festgelegten SchulbezirksWichtiger Grund wegen Unter­richts­konzept der Montessori-Schulen als besondere pädagogische Profilbildung vorliegend

Wunsch nach Beschulung an einer Montessori-Grundschule kann einen Anspruch auf Zuweisung an eine "Wunschschule" außerhalb des festgelegten Schulbezirks begründen. Dies hat das Ober­verwaltungs­gericht Koblenz in einem Eilverfahren entschieden. Die Eltern hätten einen wichtigen Grund für die Zuweisung an eine andere als die nach den festgelegten Schulbezirken für das Kind eigentlich zustände Grundschule glaubhaft gemacht und deshalb auch einen entsprechenden Anspruch. Das Ober­verwaltungs­gericht ordnete daher, vorbehaltlich des Einver­ständ­nisses des dortigen Schulleiters die vorläufige Zuweisung an die "Wunschschule" an.

Die Eltern hatten u.a. geltend gemacht, sie wünschten für ihr Kind, wie schon zuvor für die beiden älteren Geschwister, die Beschulung nach dem "pädagogischen Konzept nach Montessori" an einer nur ca. 3 Kilometer von der eigentlich zuständigen Grundschule entfernt liegenden Montessori-Grundschule. Das Verwal­tungs­gericht lehnte die begehrte einstweilige Anordnung ab und bestätigte die Auffassung der Behörde, wonach die pädagogische Ausrichtung nach dem Montessori-Konzept keinen wichtigen Grund für eine Zuweisung an eine nach den festgelegten Schulbezirken unzuständige Grundschule darstelle. Ein besonderer pädagogischer Förderbedarf des Kindes, der nur an der Wunschschule erfüllt werden könne, sei nicht ersichtlich.

Nachteilige Folgen müssen über bloße Unannehm­lich­keiten hinausgingen

Die hiergegen gerichtete Beschwerde war vor dem Oberver­wal­tungs­gericht erfolgreich. Ein wichtiger Grund für die Zuweisung an eine andere Grundschule auf Antrag der Eltern liege dann vor, wenn es nach der individuellen Situation des betroffenen Schülers und seiner Eltern als nicht gerechtfertigt erscheine, dass sie die (für sie nachteiligen) Folgen hinnehmen müssten, die mit der sich aus der Festlegung von Schulbezirken ergebenden Pflicht, eine bestimmte Grundschule zu besuchen, einhergingen. Diese nachteiligen Folgen müssten zugleich von einigem Gewicht sein, und eine unbillige Belastung darstellen, die über bloße Unannehm­lich­keiten hinausgingen, um das öffentliche Interesse an einer Verteilung der Schüler durch Einhaltung der Schulbezirke zu überwiegen, und die auch nicht regelmäßig von einer Vielzahl von Schülern geltend gemacht werden könnten.

Verfas­sungsgüter müssen bei der Anwendung der Ausnah­me­vor­schrift im Einzelfall zum Ausgleich gebracht werden

Bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "wichtigen Grundes" in § 62 Abs. 2 Satz 3 des Schulgesetzes und der Bestimmung dessen, wann und ob ein solcher nach den Umständen des konkreten Einzelfalls vorliege, sei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Festlegung von Schulbezirken in Ausgestaltung des staatlichen Erzie­hungs­auftrags aus Art. 7 Grundgesetz zwar im Grundsatz aus verfas­sungs­recht­licher Sicht nicht zu beanstanden sei. Angesichts des damit im Einzelfall allerdings möglicherweise einhergehenden Eingriffs in das Recht auf die freie Wahl der Ausbil­dungs­stätte aus Art. 12 Grundgesetz und das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz sei die Ausnah­me­vor­schrift des § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz auch und nicht zuletzt im Lichte dieser verfas­sungs­recht­lichen Garantien auszulegen und die genannten Verfas­sungsgüter bei der Anwendung der Ausnah­me­vor­schrift im Einzelfall zum Ausgleich zu bringen. Die Ablehnung des Zuwei­sungs­antrags an die "Wunschschule" sei vor dem Hintergrund dieses verfas­sungs­recht­lichen Spannungsfeldes zu messen.

Soziale wie pädagogische Gründe von einigem Gewicht

Der Begriff des "wichtigen Grundes" umfasse danach sowohl soziale wie pädagogische Gründe von einigem Gewicht. Nicht jeder Unterschied in der pädagogischen Ausrichtung des Unterrichts an einer einzelnen Schule stelle zugleich einen wichtigen (pädagogischen) Grund dar. Würden die nach der Festlegung der Schulbezirke zuständige Schule und die "Wunschschule" aufgrund ihres pädagogischen Profils allerdings über den üblichen pädagogischen Gestal­tungs­spielraum, den die Lehrpläne gewähren, hinaus im Sinne einer speziellen Profilbildung voneinander abweichen, sei dies für die Beurteilung des Vorliegens eines "wichtigen Grundes" angesichts der verfas­sungs­recht­lichen Vorprägung der Ausnah­me­be­stimmung des § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz von besonderem Belang.

Besondere pädagogische Profilbildung

Das Unter­richts­konzept der Montessori-Schulen sei als eine in diesem Sinne besondere pädagogische Profilbildung mit einem besonderen Pädagogischen Schwerpunkt im schulischen Angebot zu begreifen. Eines speziellen Förderbedarfs des betroffenen Schülers bedürfe es nicht. Dieses Erfordernis könne § 62 Abs. 2 Satz 3 Schulgesetz nicht entnommen werden. Es könnten daher grundsätzlich nur gegenläufige öffentliche Interessen von mindestens vergleichbarem Gewicht, die also den pädagogischen Wünschen und Überzeugungen der Eltern zumindest die Waage hielten, geeignet sein, im Rahmen der vorzunehmenden Inter­es­se­n­ab­wägung den Antrag abzulehnen. Solche habe die Behörde im vorliegenden Fall allerdings nicht geltend gemacht.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

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