21.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil05.04.2018

OLG Stuttgart zur Zulässigkeit von Werbung mit Testergebnissen der Stiftung WarentestHersteller müssen Bedenken gegen Testaufbau und Besonderheiten ihrer Produkte frühzeitig anmelden

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat entschieden, dass Testver­an­staltern wie der Stiftung Warentest bei der Auswahl von Prüfungs­me­thoden ein Beurteilungs­spielraum zusteht. Zudem verwies das Oberlan­des­gericht auf die Verantwortung der Hersteller, Bedenken gegen den Testaufbau und Besonderheiten ihrer Produkte frühzeitig anzumelden.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 2010 führte die Stiftung Warentest einen Vergleichstest von Nassrasierern mit Wechselklingen durch (Heft 12/2010). Dabei landeten die Rasierer von Gillette auf den ersten fünf Plätzen. Das neu eingeführte Modell von Wilkinson Sword "Hydro 5" belegte nach dem schon einige Jahre alten "Mach3"-Rasierer von Gillette den sechsten Platz. Gillette stellte anschließend das Testergebnis in der Werbung mit dem Werbespruch heraus: "Laut Stiftung Warentest- Die 5 besten Rasierer kommen von Gillette".

Wilkinson beanstandet Fehler bei Durchführung des Tests

Wilkinson Sword beantragte ein Verbot dieser Werbung mit der Begründung, dass der Verbraucher über die Objektivität der Testdurch­führung in die Irre geführt worden sei. Die Stiftung Warentest habe bei dem Test grobe Fehler gemacht. Die zweimalige Anwendung jedes Rasierers durch alle Testpersonen habe nicht ausgereicht. Allen 32 Testpersonen hätte für jeden getesteten Rasierer eine Einge­wöh­nungsphase von fünf Tagen eingeräumt werden müssen. Die den Testpersonen zur Verfügung gestellten Rasierer hätten zudem anonymisiert werden müssen, um die Beurteilung nicht durch die Marke zu beeinflussen. Ein weiterer Nachteil sei dadurch entstanden, dass bei jeder Rasur neue Klingen eingesetzt worden seien. Die Klingen von Wilkinson Sword enthielten eine PTFE-Beschichtung (Teflon), die sich erst im Verlaufe der ersten Rasur entferne.

Testver­an­stalter kommt bei Auswahl der Prüfungs­me­thoden erheblicher Spielraum zu

Das Landgericht Stuttgart gab der Klage statt. Das Oberlan­des­ge­richts Stuttgart wies die Klage ab. Dem Testver­an­stalter komme nach der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1975 – VI ZR 157/73) bei der Auswahl der Prüfungs­me­thoden ein erheblicher Spielraum zu, dessen Grenze erst überschritten sei, wenn das Vorgehen sachlich nicht mehr diskutabel erscheine. Demnach müsse die Untersuchung neutral, sachkundig und in dem Bemühen um Objektivität durchgeführt werden. Erfülle der Test diese Voraussetzungen, so dürfe mit den Testergebnissen auch geworben werden.

Wilkinson hätte Bedenken an Testverfahren rechtzeitig anmelden müssen

Nach diesen Maßstäben sei die Werbung mit dem Testergebnis nicht unlauter. Maßgebliche Bedeutung dabei hätten die Beratungen in dem Fachbeirat - einem von der Stiftung Warentest vor jedem Test mit unter­schied­lichen Fachleuten konsultierten Gremium - sowie die Stellungnahmen der Hersteller zu dem ihnen vorab übersandten Prüfprogramm. Wilkinson Sword - obwohl im Fachbeirat vertreten - habe nicht beanstandet, dass die Teilnehmer jeden Rasierapparat ohne vorherige Einge­wöh­nungsphase lediglich zwei Mal anwenden würden. Auch habe Wilkinson Sword dort nicht dargestellt, dass eine Anonymisierung der Rasierapparate ohne Veränderung der Handhabung möglich gewesen wäre. Zudem bestehe - anders als etwa bei dem Test von Lebensmitteln - bei Herren-Nassrasierern kein allgemeiner Konsens über die Notwendigkeit einer Anonymisierung.

Hersteller kann bei Zurückhaltung von Informationen spätere Werbung des Konkurrenten mit Testsieg nicht verhindern

Wilkinson Sword habe auch vor der Testdurch­führung nicht auf die Besonderheit der PTFE-beschichteten Klingen hingewiesen. Der Stiftung Warentest sei deshalb nicht bekannt gewesen, dass die Klingen bei einigen Produkten von Wilkinson Sword erst während der ersten Rasur ihre optimale Schärfe erreichten. Der Hersteller, der wesentliche Informationen zurückhalte, könne später die Werbung des Konkurrenten mit dessen Testsieg nicht mehr verhindern.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

§ 8 Beseitigung und Unterlassung

(1) 1 Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2 Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu:

1. jedem Mitbewerber;

§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen

(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.

(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unter­neh­me­rischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen

§ 5 Irreführende geschäftliche Handlungen

(1) 1Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. 2Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zweck­taug­lichkeit, Verwen­dungs­mög­lichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwer­de­ver­fahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienst­leis­tungen; [...]

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

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