23.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil03.11.2016

Bier darf nicht als "bekömmlich" beworben werdenGetränke mit Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheits­bezogenen Angaben tragen

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat eine Brauerei zur Unterlassung von Werbung für drei ihrer Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich" verpflichtet und damit ein Urteil des Landgerichts Ravensburg bestätigt.

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit klagte ein Verband, zu dessen Aufgaben u. a. die Durchsetzung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für seine Mitglieder gehört. Die Beklagte ist eine Brauerei in der Rechtsform einer Aktien­ge­sell­schaft mit dem Sitz im Allgäu.

Die Beklagte bewarb im Jahr 2015 drei ihrer Biersorten mit dem Begriff "bekömmlich":

Für die Biersorte "...-Gold" mit einem Alkoholgehalt von 5,1 % warb sie u. a. mit dem Satz:

"Bekömmlich, süffig ... aber nicht schwer."

Der Sorte "Hopfenleicht" mit einem Alkoholgehalt von 2,9 % schrieb sie u. a. die Aussage

"... feinwürzig und herzhaft im Geschmack, erfrischend bekömmlich für den großen und kleinen Durst" zu.

Die Sorte "...-Hell" mit einem Alkoholgehalt von 4,4 % bewarb sie u. a. mit dem Satz:

"Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus, wodurch es besonders bekömmlich wird."

Parteien streiten über Verwendung des Begriffs "bekömmlich" als gesund­heits­be­zogene Angabe

Der Kläger ist der Ansicht, diese Werbung verstoße gegen § 3 a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit den Vorschriften der "Health-Claims-Verordnung" des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006. Nach dieser Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesund­heits­be­zogenen Angaben tragen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5). Die Beklagte hält den Begriff "bekömmlich" in den relevanten Kontexten hingegen nicht für eine gesund­heits­be­zogene Angabe, sondern für eine Darstellung der Genuss­wür­digkeit, insbesondere der geschmacklichen Aspekte, der beworbenen Biersorten.

Landgericht gibt Klage statt

Das Landgericht Ravensburg gab der Klage auf Unterlassung der Werbung mit Urteil vom 22. Januar 2016 statt. Der normal informierte, aufmerksame und verständige Durch­schnitts­ver­braucher verstehe die Bezeichnung eines Lebensmittels als "bekömmlich" so, dass es dem Konsumenten "gut bekomme" oder bei Nahrungs­aufnahme gut vertragen werde und dem physischen Befinden entweder förderlich oder zumindest nicht abträglich sei. In seiner Urteils­be­gründung bezieht sich das Landgericht insbesondere auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2012.

Beanstandete Werbung verstößt gegen unlauteren Wettbewerb

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die beanstandete Werbung gegen § 3 a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit den Vorschriften der "Health-Claims-Verordnung" des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 verstoße. Nach dieser Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesund­heits­be­zogenen Angaben tragen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5).

OLG bezieht sich auf Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union

Auch das Oberlan­des­gericht stützte sich u. a. auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2012. Diesem Urteil sei zwar keine generelle Aussage zur Verwendung der Bezeichnung "bekömmlich" für alkoholische Getränken zu entnehmen, denn im konkreten Fall habe der Begriff – anders als hier – im Zusammenhang mit einem Hinweis auf den reduzierten Säuregehalt des beworbenen Weins gestanden. Dem Urteil lasse sich aber in allgemeiner Form entnehmen, dass Angaben zu den (von der Verordnung erfassten) alkoholischen Getränken frei von jeder Mehrdeutigkeit sein müssen. Zudem habe der Gerichtshof einen Gesund­heitsbezug auch dann bejaht, wenn mit einer Angabe impliziert wird, dass negative oder schädliche Auswirkungen für die Gesundheit, die normalerweise mit dem Konsum verbunden sind, bei dem beworbenen Produkt fehlen oder geringer ausfallen.

Soweit der Bundes­ge­richtshof in einem Vorla­ge­be­schluss vom 13. Januar 2011 (I ZR 22/09 – Gurktaler Kräuterlikör) die Bezeichnung "bekömmlich" in anderem Kontext für zulässig gehalten habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser Beschluss vor dem genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen ist.

Begriff "bekömmlich" kann als "Langzeit­ver­sprechen" für allgemeines Wohlbehagen verstanden werden

Nach den gängigen Wörterbüchern sei "bekömmlich" gleichzusetzen mit "zuträglich", "leicht verdaulich" oder "gesund". Auch der Begriff "zuträglich" schließe nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein, sondern sei im Sinne eines "Langzeit­ver­sprechens" zu verstehen, dass das beworbene Lebensmittel auch bei längerem Konsum in keiner Weise schade. Dass manche Konsumenten die Brauerei der Beklagten mit dem Werbespruch "Wohl bekomm‘s" in Verbindung brächten, schränke den Aussagegehalt nicht ein. "Wohl bekomm‘s" sei – im Sinne eines Trinkspruchs – ein Wunsch, "bekömmlich" dagegen ein Versprechen.

Gericht hält Inter­es­se­n­aus­gleich nicht für ausgeschlossen

Schließlich wies das Gericht auf das Antrags­ver­fahren nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung hin. Nach dieser Vorschrift kann für Bezeichnungen, die "traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten", eine Ausnahme vom Verbot gesund­heits­be­zogener Angaben zugelassen werden. Das Gericht führte aus, es halte es nicht für fernliegend, über dieses Verfahren einen Inter­es­se­n­aus­gleich zu finden. Ohne eine solche Befreiung, die bislang nicht erteilt worden sei, könne vom Verbot gesund­heits­be­zogener Angaben jedoch nicht abgesehen werden.

Relevante Normen:

§ 3 a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – früher § 4 Nr. 11 UWG

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Markt­teil­nehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesund­heits­be­zogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung) – Auszug

Im Fall allgemeiner Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten, kann auf Antrag der betroffenen Lebens­mit­tel­un­ter­nehmer eine Ausnahme [...] erlassen werden. Der Antrag ist an die zuständige nationale Behörde eines Mitgliedstaats zu richten, die ihn unverzüglich an die Kommission weiterleitet.

Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesund­heits­be­zogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung)

Ferner bezeichnet der Ausdruck [...] "gesund­heits­be­zogene Angabe" jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebens­mit­tel­ka­tegorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesund­heits­be­zogene Angaben über Lebensmittel (Health-Claims-Verordnung)

Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesund­heits­be­zogenen Angaben tragen.

Bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind nur nährwert­be­zogene Angaben zulässig, die sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder eine Reduzierung des Brennwerts beziehen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

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