21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil07.06.2018

Reiterin hat nach Sturz vom Kamel Anspruch auf Schmerzensgeld und SchadensersatzErforderliche Sorgfalt bei Beaufsichtigung der Kamele durch Inhaber der Kamelfarm nicht erbracht

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat entschieden, dass der Inhaber einer Kamelfarm einer Reiterin nach einem Unfall mit einem Kamel Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro sowie Schadensersatz u.a. für Verdien­st­ausfall zahlen muss.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin unternahm mit ihrer Mutter bei der beklagten Kamelfarm einen einstündigen Kamelausritt im Landkreis Sigmaringen. Dabei lief der Inhaber des Kamelhofs zwischen den beiden Kamelen und führte diese an einer Kette. Die Kamele wurden angehalten, als die Gruppe einige Hunde mit ihren Haltern passierte. Beim Weiterlaufen erschraken die Kamele aufgrund des einsetzenden Hundegebells, liefen nach vorne und vollführten an der Führungsleine eine abrupte Linkswendung. Dadurch stürzte die seinerzeit 27- jährige Klägerin und fiel aus einer Sitzhöhe von 1,87 m kopfüber zu Boden. Sie erlitt u.a. schwere Kopfver­let­zungen sowie erhebliche Einschränkungen in ihrer Erwer­b­s­tä­tigkeit.

Kamelführer kann sich nicht auf Privileg des Haustierhalters berufen

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart stützt seine Entscheidung auf die sogenannte Tierhal­ter­hal­ter­haftung gemäß § 833 Satz 1 BGB, wobei eine sogenannte Exkul­pa­ti­o­ns­mög­lichkeit nach § 833 Satz 2 BGB nicht eröffnet sei, da es sich bei dem Kamel nicht - jedenfalls nicht in Deutschland, wo die Kamelhaltung sehr selten sei - um ein Haus- und Nutztier handle. Somit kann der Kamelführer sich nicht auf das Privileg des Haustierhalters berufen, um sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien. Daneben könne der Beklagte sich aber auch deshalb nicht entlasten, da er die bei der Beaufsichtigung der Kamele erforderliche Sorgfalt nicht erbracht hatte. Vielmehr sei der Kamelführer gleich einem Fahrzeuglenker für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich und habe nicht allein beide Kamele mit Führkette am Strick führen dürfen. So habe er nicht so gut auf die beiden Tiere einwirken und die Reiterin nicht vor Gefahren durch die Schreck­re­ak­tionen der Kamele schützen können.

OLG setzt Schmerzensgeld auf 70.000 Euro und Schadensersatz auf 21.000 Euro fest

Ein Mitverschulden der Klägerin etwa wegen des Nichttragens eines Helmes, von dem der Beklagte quasi abgeraten und sich dadurch insbesondere sorgfaltswidrig verhalten hatte, schloss das Oberlan­des­gericht aus. Das Berufungs­gericht erhöhte daher auf die Anschluss­be­rufung der Klägerin hin das erstinstanzlich zugesprochene Schmerzensgeld von 50.000 Euro auf 70.000 Euro und bestätigte im Wesentlichen den der verletzten Ärztin zugesprochenen Schadensersatz für den Verdienstausfall für die Monate nach dem Unfall in Höhe von rund 21.000 Euro.

Relevante Norm:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 833 Haftung des Tierhalters

Erläuterungen

1 Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2 Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwer­b­s­tä­tigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26029

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI