18.10.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss19.08.2010

OLG Stuttgart legt Bundes­ge­richtshof Frage zur Entscheidung über Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung vorBGH soll über Zulässigkeit der Unterbringung in Siche­rungs­ver­wahrung in so genannten Zehnjah­res­fällen entscheiden

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart hat im Verfahren über den Antrag eines Verurteilten auf Freilassung aus der Siche­rungs­ver­wahrung die Sache dem Bundes­ge­richtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Der Bundes­ge­richtshof soll klären, ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 deutsche Gerichte dazu zwingt, in so genannten Zehnjah­res­fällen, in denen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wegen vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexual­straftaten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 begangener Anlasstaten angeordnet worden ist, die Unterbringung für erledigt zu erklären.

OLG weist Antrag eines Verurteilten auf sofortige Freilassung zuvor bereits zurück

In dieser Sache hat das Oberlan­des­gericht bereits durch Beschluss vom 1. Juni 2010 den Antrag eines Verurteilten auf sofortige Freilassung aus der Siche­rungs­ver­wahrung zurückgewiesen.

OLG sieht sich aufgrund abweichender Rechtsprechung anderer OLGs in abschließender Entscheidung gehindert

Das Oberlan­des­gericht Stuttgart sieht sich nun an der jetzt anstehenden abschließenden Entscheidung über die Frage der Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung gehindert, da es von der Rechtsprechung anderer Oberlan­des­ge­richte (Frankfurt am Main, Hamm, Karlsruhe und Schleswig) und möglicherweise des Bundes­ge­richtshofs abweichen würde.

Unterbringung des Beschwer­de­führers in der Siche­rungs­ver­wahrung kann nach Auffassung des OLG nicht für erledigt erklärt werden

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts (im Ergebnis und in der Begründung ebenso: OLG Celle, Koblenz, Köln und Nürnberg) kann nämlich nach geltendem deutschen Recht - solange der Gesetzgeber keine abweichende Regelung trifft - die Unterbringung des Beschwer­de­führers in der Siche­rungs­ver­wahrung nicht für erledigt erklärt werden, selbst wenn die Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 widerspricht.

Begehen erneuter Straftaten des Beschwer­de­führers zu vermuten

Das Oberlan­des­gericht ist davon überzeugt, dass die Gefahr besteht, dass der Beschwer­de­führer, wenn er auf freien Fuß gesetzt wird, infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt werden. Dieser Gefahr könne auch nicht durch eine engmaschige Führungs­aufsicht begegnet werden. Der Beschwer­de­führer habe eine unverändert schwer gestörte Persönlichkeit, es liege eine psychopathische Persön­lich­keitss­truktur vor, die durch exzessive Maßlosigkeit und gesteigerte Erregbarkeit, ein jedes normale Maß übersteigendes Geltungs- und Durch­set­zungs­be­dürfnis sowie Umtriebigkeit und Unrast und das Bedürfnis gekennzeichnet sei, Überlegenheit zu demonstrieren, alles in seiner Umgebung zu kontrollieren und sich nicht an andere ausliefern zu müssen.

Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung nicht unver­hält­nismäßig

Die Verhält­nis­mä­ßigkeit der Fortdauer der bereits 21 Jahre vollzogenen Siche­rungs­ver­wahrung müsse besonders eingehend geprüft werden. Diese Prüfung führe aber nicht zu dem Ergebnis, dass die Siche­rungs­ver­wahrung des Beschwer­de­führers für erledigt erklärt werden kann und muss. Die Fortdauer der Siche­rungs­ver­wahrung sei nicht unver­hält­nismäßig. Solange sich der Beschwer­de­führer allen eine Entlassung vorbereitenden und späteren Unter­stüt­zungs­maß­nahmen verweigere, sei die Wahrschein­lichkeit hoch, dass er in Freiheit erhebliche Straftaten, namentlich Sexua­l­ver­brechen und andere Gewaltdelikte, begehen werde. Grundlage der Gefah­ren­prognose war eine erneute und eingehende Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, Taten, Entwicklung und Perspektiven des Beschwer­de­führers. Dem Senat lagen mehrere ärztliche Gutachten, die Stellungnahme des Psychologischen Dienstes und der Leitung der Justiz­voll­zugs­anstalt vor.

Nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 Gerichts­ver­fas­sungs­gesetz (GVG) in der Fassung des am 30. Juli 2010 in Kraft getretenen Vierten Gesetzes zur Änderung des GVG vom 24. Juli 2010 sei daher der Bundes­ge­richtshof zur Entscheidung der gestellten Rechtsfrage berufen.

Quelle: Oberlandesgericht Stuttgart/ra-online

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