18.10.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss04.08.2010

OLG Karlsruhe: Weitere Vollstreckung der Siche­rungs­ver­wahrung unzulässigVorlage der Sache an den Bundes­ge­richtshof nicht zulässig

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erneut entschieden, dass sich die gegen einen Siche­rungs­ver­wahrten vor dem 31. Januar 1998 angeordnete, bereits mehr als zehn Jahre vollzogene Siche­rungs­ver­wahrung erledigt hat.

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat einer sofortigen Beschwerde des Siche­rungs­ver­wahrten gegen die Fortdauer der Maßregel stattgegeben und das Eintreten von Führungs­aufsicht festgestellt. Die Begründung für die Unzulässigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung deckt sich mit den Gründen in zwei am 15.07.2010 entschiedenen Fällen (vgl. Oberlan­des­gericht Karlsruhe, Beschluss v. 15.07.2010 - 2 Ws 458/09 u. 2 Ws 44/10 -). Trotz dieser von der Rechtsprechung anderer Oberlan­des­ge­richte abweichenden Entscheidung sei die Sache nicht dem Bundes­ge­richtshof vorzulegen.

OLG muss möglicherweise notwendige Vorlage der Sache beim Bundes­ge­richtshof prüfen

Allerdings trat am 30. Juli 2010 die neu eingeführte Vorschrift des § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Kraft, nach der ein Oberlan­des­gericht, das bei der Beschwer­de­ent­scheidung über die Frage der Erledigung der Siche­rungs­ver­wahrung oder die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlan­des­ge­richts oder von einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs abweichen will, die Sache dem Bundes­ge­richtshof zur Entscheidung vorzulegen hat. Das Oberlan­des­gericht hatte daher im Hinblick auf bereits im Jahre 2010 ergangene, von der Rechtsprechung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe abweichende Entscheidungen anderer Oberlan­des­ge­richte zu prüfen, ob nach der neuen Vorschrift eine Vorlage der Sache an den Bundes­ge­richtshof geboten war.

OLG vernein nötige Vorlage der Sache beim Bundes­ge­richtshof

Dies hat das Oberlan­des­gericht verneint. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ist eine Vorlage unzulässig, wenn der Bundes­ge­richtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden hat und das Oberlan­des­gericht ebenso entscheiden will. In einem solchen Fall sind nur die Oberlan­des­ge­richte, die ihrerseits von der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs abweichen wollen, zur Vorlage verpflichtet. Vorliegend hat der 4. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB mit Beschluss vom 12. Mai 2010 (4 StR 577/09) unter Berück­sich­tigung des Urteils des EGMR vom 17. Dezember 2009 ebenso ausgelegt wie der 2. Strafsenat des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe in seiner jetzigen Entscheidung.

Bundes­ge­richtshof hat dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden - Notwendigkeit der erneuten Vorlage eines ähnlich gelagerten Falls nicht gegeben

Der 4. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat ausdrücklich klargestellt, dass Art. 7 EMRK eine andere Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB darstellt, so dass für Entscheidungen über die Siche­rungs­ver­wahrung das Tatzeitrecht maßgeblich ist. Auch wenn es dort um die Frage der Anordnung einer nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung ging, während das Oberlan­des­gericht über die Frage eines Rückwir­kungs­verbots im Zusammenhang mit dem nachträglichen Entfallen der Zehnjahresfrist des § 67 d Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Januar 1998 geltenden Fassung zu befinden hatte, habe der Bundes­ge­richtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden. Denn sowohl in dem vom Bundes­ge­richtshof entschiedenen wie auch in dem dem Oberlan­des­gericht Karlsruhe vorliegenden Fall gehe es um die Frage, ob die Siche­rungs­ver­wahrung in ihrer konkreten Ausgestaltung in der Auslegung durch den EGMR als Strafe zu werten und deshalb Art. 7 EMRK für diese Maßregel als andere gesetzliche Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB anzusehen ist, die ein Rückwir­kungs­verbot begründet. Angesichts der Ähnlichkeit der Fallge­stal­tungen könne diese Frage nur einheitlich beantwortet werden, zumal der 4. Senat des Bundes­ge­richtshofs die Rechtsfrage aufgrund einer Entscheidung des EGMR entschieden habe, die die dem Oberlan­des­gericht vorliegende Fallkon­stel­lation betraf.

Erläuterungen
Hinweise auf den Gesetzestext:

§ 121 GVG in der seit dem 30.07.2010 geltenden Fassung:

(1) Die Oberlan­des­ge­richte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

...

2. der Beschwerde gegen straf­rich­terliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundes­ge­richtshofes begründet ist;

...

(2) Will ein Oberlan­des­gericht bei seiner Entscheidung

...

3. nach Absatz 1 Nr. 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlan­des­ge­richtes oder von einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundes­ge­richtshof vorzulegen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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