23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen die Ausrüstung eines Polizisten.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss04.08.2010

OLG Karlsruhe: Weitere Vollstreckung der Siche­rungs­ver­wahrung unzulässigVorlage der Sache an den Bundes­ge­richtshof nicht zulässig

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erneut entschieden, dass sich die gegen einen Siche­rungs­ver­wahrten vor dem 31. Januar 1998 angeordnete, bereits mehr als zehn Jahre vollzogene Siche­rungs­ver­wahrung erledigt hat.

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat einer sofortigen Beschwerde des Siche­rungs­ver­wahrten gegen die Fortdauer der Maßregel stattgegeben und das Eintreten von Führungs­aufsicht festgestellt. Die Begründung für die Unzulässigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung deckt sich mit den Gründen in zwei am 15.07.2010 entschiedenen Fällen (vgl. Oberlan­des­gericht Karlsruhe, Beschluss v. 15.07.2010 - 2 Ws 458/09 u. 2 Ws 44/10 -). Trotz dieser von der Rechtsprechung anderer Oberlan­des­ge­richte abweichenden Entscheidung sei die Sache nicht dem Bundes­ge­richtshof vorzulegen.

OLG muss möglicherweise notwendige Vorlage der Sache beim Bundes­ge­richtshof prüfen

Allerdings trat am 30. Juli 2010 die neu eingeführte Vorschrift des § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Kraft, nach der ein Oberlan­des­gericht, das bei der Beschwer­de­ent­scheidung über die Frage der Erledigung der Siche­rungs­ver­wahrung oder die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlan­des­ge­richts oder von einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs abweichen will, die Sache dem Bundes­ge­richtshof zur Entscheidung vorzulegen hat. Das Oberlan­des­gericht hatte daher im Hinblick auf bereits im Jahre 2010 ergangene, von der Rechtsprechung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe abweichende Entscheidungen anderer Oberlan­des­ge­richte zu prüfen, ob nach der neuen Vorschrift eine Vorlage der Sache an den Bundes­ge­richtshof geboten war.

OLG vernein nötige Vorlage der Sache beim Bundes­ge­richtshof

Dies hat das Oberlan­des­gericht verneint. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ist eine Vorlage unzulässig, wenn der Bundes­ge­richtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden hat und das Oberlan­des­gericht ebenso entscheiden will. In einem solchen Fall sind nur die Oberlan­des­ge­richte, die ihrerseits von der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs abweichen wollen, zur Vorlage verpflichtet. Vorliegend hat der 4. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB mit Beschluss vom 12. Mai 2010 (4 StR 577/09) unter Berück­sich­tigung des Urteils des EGMR vom 17. Dezember 2009 ebenso ausgelegt wie der 2. Strafsenat des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe in seiner jetzigen Entscheidung.

Bundes­ge­richtshof hat dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden - Notwendigkeit der erneuten Vorlage eines ähnlich gelagerten Falls nicht gegeben

Der 4. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat ausdrücklich klargestellt, dass Art. 7 EMRK eine andere Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB darstellt, so dass für Entscheidungen über die Siche­rungs­ver­wahrung das Tatzeitrecht maßgeblich ist. Auch wenn es dort um die Frage der Anordnung einer nachträglichen Siche­rungs­ver­wahrung ging, während das Oberlan­des­gericht über die Frage eines Rückwir­kungs­verbots im Zusammenhang mit dem nachträglichen Entfallen der Zehnjahresfrist des § 67 d Abs. 1 StGB in der bis zum 30. Januar 1998 geltenden Fassung zu befinden hatte, habe der Bundes­ge­richtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden. Denn sowohl in dem vom Bundes­ge­richtshof entschiedenen wie auch in dem dem Oberlan­des­gericht Karlsruhe vorliegenden Fall gehe es um die Frage, ob die Siche­rungs­ver­wahrung in ihrer konkreten Ausgestaltung in der Auslegung durch den EGMR als Strafe zu werten und deshalb Art. 7 EMRK für diese Maßregel als andere gesetzliche Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB anzusehen ist, die ein Rückwir­kungs­verbot begründet. Angesichts der Ähnlichkeit der Fallge­stal­tungen könne diese Frage nur einheitlich beantwortet werden, zumal der 4. Senat des Bundes­ge­richtshofs die Rechtsfrage aufgrund einer Entscheidung des EGMR entschieden habe, die die dem Oberlan­des­gericht vorliegende Fallkon­stel­lation betraf.

Hinweise auf den Gesetzestext:

§ 121 GVG in der seit dem 30.07.2010 geltenden Fassung:

(1) Die Oberlan­des­ge­richte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

...

2. der Beschwerde gegen straf­rich­terliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundes­ge­richtshofes begründet ist;

...

(2) Will ein Oberlan­des­gericht bei seiner Entscheidung

...

3. nach Absatz 1 Nr. 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Siche­rungs­ver­wahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlan­des­ge­richtes oder von einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundes­ge­richtshof vorzulegen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss10049

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI