18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Oldenburg Urteil28.10.2015

Krankenhaus haftet für zu spät erkannte Hirnhaut­ent­zündungZu spät eingeleitete Notfalltherapie zweifelsfrei auf Behand­lungs­fehler des Pflegers zurückführbar

Das Oberlan­des­gericht Oldenburg hat entschieden, dass ein Kind wegen einer zu spät erkannten Hirnhaut­ent­zündung Schadens­ersatz­an­sprüche gegen das behandelnde Krankenhaus geltend machen kann.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der seinerzeit fünf Jahre alte Junge wurde am Nachmittag des 12. Mai 2011 mit Schüttelfrost und hohem Fieber in ein ostfriesisches Krankenhaus eingeliefert und dort stationär aufgenommen. Die Ärzte leiteten eine Infusi­ons­therapie ein. Der Zustand des Kindes besserte sich jedoch nicht. Im Laufe des Abends und der Nacht erbrach es mehrfach. Gegen vier Uhr nachts löste sich dabei die Infusionsnadel. Der von der Mutter des Kindes herbeigerufene Pfleger sah jedoch keinen Handlungsbedarf. Gegen sieben Uhr informierte eine Kranken­schwester den diensthabenden Arzt darüber, dass sich am Körper des Kindes ungewöhnliche Hautver­fär­bungen zeigten. Die Ärzte vermuteten das Vorliegen einer Hirnhautentzündung und begannen sofort mit einer Notfa­ll­ver­sorgung. Eine Labor­un­ter­suchung bestätigte den Verdacht. Der Junge wurde daraufhin umgehend in ein Oldenburger Klinikum verlegt. An seinem ganzen Körper und im Gesicht zeigten sich blauschwarze Haut- und Muskelnekrosen (Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen). Zwei Wochen später wurde der Fünfjährige in ein Hamburger Kinder­kran­kenhaus verlegt. Dort amputierte man ihm beide Unterschenkel. Außerdem erfolgten zahlreiche Haut- und Muskel­trans­plan­ta­tionen. Der Junge muss bis heute einen Ganzkör­per­kom­pres­si­onsanzug sowie eine Kopf- und Gesichtsmaske tragen, um eine wulstige Narbenbildung zu vermeiden.

LG von grobem Behand­lungs­fehler des Pflegers überzeugt

Mit der Klage vor dem Landgericht nahm der Junge, vertreten durch seine Eltern, das ostfriesische Krankenhaus auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes in Höhe von 350.000 Euro und Schadensersatz in Anspruch. Er machte geltend, dass die Hirnhaut­ent­zündung grob fehlerhaft zu spät erkannt worden sei. Spätestens gegen vier Uhr nachts habe Handlungsbedarf bestanden. Die Hautver­fär­bungen hätten bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen und seien von dem diensthabenden Pfleger auch erkannt worden. Es hätte sofort ein Arzt hinzugerufen und eine Notfa­ll­be­handlung eingeleitet werden müssen. Zum Beweis für das Vorliegen der Hautver­fär­bungen in der Nacht legten die Eltern des Jungen zwei Lichtbilder vom Handy der Mutter vor, auf denen diese deutlich zu erkennen sind. Das Krankenhaus wies den Behand­lungs­feh­ler­vorwurf von sich und bestritt, dass die Lichtbilder den Zustand des Jungen in der Nacht zeigten. Das Landgericht gab der Klage dem Grunde nach statt. Es zeigte sich nach durchgeführter Beweisaufnahme von einem groben Behandlungsfehler des Pflegers überzeugt. Dieser hätte in der Nacht bereits deswegen einen Arzt benachrichtigen müssen, weil sich die Infusionsnadel gelöst hatte und die Therapie dadurch unterbrochen worden war. Der jetzige Gesund­heits­zustand des Kindes sei auf die verzögerte Notfa­ll­ver­sorgung zurückzuführen.

Auch OLG bejaht groben Behand­lungs­fehler des Pflegers

Dagegen legte das Krankenhaus Berufung beim Oberlan­des­gericht Oldenburg ein, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Das Oberlan­des­gericht ließ das Handy der Mutter durch einen technischen Sachver­ständigen auswerten und kam zu dem Ergebnis, dass die von den Eltern vorgelegten Lichtbilder in der Nacht aufgenommen worden seien. Die Hautver­fär­bungen hätten bereits vorgelegen, als der diensthabende Pfleger gegen vier Uhr im Zimmer des Kindes erschienen sei. Der Pfleger habe den Zustand des Fünfjährigen erkannt und dennoch keinen Arzt hinzugezogen. Dies stelle einen groben Behand­lungs­fehler dar. Es hätte umgehend mit einer Notfalltherapie begonnen werden müssen. Dadurch wäre in jedem Fall ein besseres Ergebnis erzielt worden.

Über die Höhe des Schmer­zens­geldes und der Schaden­s­er­satz­ansprüche hat nunmehr das Landgericht Aurich zu befinden.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg/ra-online

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