18.10.2024
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Oberlandesgericht Oldenburg Urteil23.01.2014

Pharma­un­ter­nehmen muss Auskunft über Nebenwirkungen eines Medikaments mit dem Wirkstoff "Allopurinol" erteilenZeitlicher Zusammenhang zwischen Einnahme eines Arzneimittels und erheblichen gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen für Auskunfts­an­spruch eines Geschädigten ausreichend

Ein Pharma­un­ter­nehmen aus Ulm ist verpflichtet, Auskunft über Nebenwirkungen und bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen eines Medikaments mit dem Wirkstoff "Allopurinol" zu erteilen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Oldenburg hervor.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Medikament mit dem Wirkstoff "Allopurinol" wird sehr häufig bei Gichter­kran­kungen insbesondere zur Reduzierung der Harnsäure im Blut verordnet. Das Pharmaunternehmen weist in der verwendeten Packungsbeilage u.a. darauf hin, dass als Überemp­find­lich­keits­re­aktion Abschälungen der Haut auftreten können sowie Hautver­än­de­rungen beobachtet wurden, die einer Verbrühung der Haut ähneln (Lyell-Syndrom = toxisch epidermale Nekrolyse (TEN) als Maxima­l­kom­pli­kation des Stevens-Johnson-Syndroms).

Verschlimmerung des Gesund­heits­zu­stands nach Absetzen des Medikaments

Der Kläger hat behauptet, er habe das Medikament von seinem Hausarzt verschrieben bekommen, nachdem bei einer Blutun­ter­suchung ein erhöhter Harnsäurewert festgestellt worden sei. Am elften Tag der Einnahme habe er sich plötzlich schwach gefühlt und es hätten sich grippeartige Symptome gezeigt. Nachdem er das Mittel abgesetzt habe, habe sich sein Gesund­heits­zustand nicht verbessert, sondern verschlimmert. Es habe sich ein Ausschlag an seinem gesamten Körper ausgebreitet, die Augen seien entzündet und blutunterlaufen gewesen. Teilweise hätten sich aus dem Ausschlag große Blasen entwickelt. Nach Hautablösungen von mehr als 30 % der Körper­o­ber­fläche sei er auf der Intensivstation behandelt worden. Es sei eine toxisch epidermale Nekrolyse mit Augen- und Schleim­haut­be­tei­ligung diagnostiziert worden. Aufgrund dieser Erkrankung seien ihm in der Folgezeit alle Finger- und Fußnägel sowie sämtliche Zähne ausgefallen. Zudem sei eine starke Sehschwäche zurückgeblieben, die zur Fahrun­tüch­tigkeit geführt habe.

Kläger verlangt Auskunft über bekannt­ge­wordene Fälle und Verdachtsfälle

Er verlangt zur Vorbereitung eines Schaden­s­er­satz­pro­zesses gegen das beklagte Pharma­un­ter­nehmen gemäß § 84 a Arznei­mit­tel­gesetz (AMG) Auskunft über die dort bekannt­ge­wordenen Fälle und Verdachtsfälle von Neben- und Wechsel­wir­kungen des Medikaments, insbesondere bezogen auf das Stevens-Johnson-Syndrom und die TEN.

Erhebliche gesundheitliche Beein­träch­ti­gungen reichen für Auskunfts­an­spruch aus

Das Oberlan­des­gericht Oldenburg brauchte nicht konkret festzustellen, dass die vom Kläger geschilderte Erkrankung auf die Einnahme des Medikaments zurückzuführen ist. Es reiche für den Auskunftsanspruch aus, so das Gericht, dass es im zeitlichen Zusammenhang mit der Einnahme des von dem Pharma­un­ter­nehmen vertriebenen Arzneimittels beim Kläger zu erheblichen gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen und Verletzungen gekommen und von einer TEN auszugehen sei, die eine nicht unerhebliche Verletzung der Gesundheit darstelle. Anders als beim späteren Schaden­s­er­satz­an­spruch genüge es, dass die Verursachung eines Schadens durch die Einnahme des Medikaments plausibel erscheint.

Quelle: Oberlandesgericht Oldenburg/ra-online

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