23.11.2024
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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil23.03.2011

OLG Nürnberg: Bank wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung bei Finan­zie­rungs­be­ratung zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtetVorschlag der Bankberaterin, fehlendes Eigenkapitals beim Hauskauf durch Erwerb einer weiteren Immobilie zu ersetzen, vom Gericht als "grotesk" bewertet

Der Vorschlag einer Finan­zie­rungs­be­raterin, beim Kauf eines Hauses fehlendes Eigenkapital durch den Erwerb einer weiteren, voll finanzierten Immobilie zu ersetzen, stellt eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung dar, die dazu führt, dass die Bank nicht nur den Wohnungskauf rückgängig machen, sondern auch den Käufern Schadensersatz leisten muss. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Nürnberg.

Im zugrunde liegenden Streitfall wollten die Kläger, ein junges Ehepaar russischer Abstammung, für sich und ihre zwei kleinen Kinder ein Reihenhaus erwerben. Sie hatten auch schon ein ganz bestimmtes Objekt am südlichen Stadtrand von Nürnberg im Auge, das ihnen gefiel. Als Problem stellte sich dabei aber heraus, dass die Eheleute keinerlei Eigenkapital besaßen und auch das monatliche Famili­en­ein­kommen – der Ehemann arbeitete als Kraftfahrer, seine Frau jobbte auf 400-Euro- Basis als Verkäuferin - mit ca. 2.400 Euro nicht sehr hoch bemessen war.

Bankberaterin erklärt zusätzlichen Kauf einer Eigen­tums­wohnung für Eigen­ka­pi­ta­l­nachweis als geradezu ideal

Hilfesuchend wandten die in geschäftlichen Dingen gänzlich unerfahrenen Kläger sich daher an die Finanzberaterin B. Diese errechnete einen Kostenaufwand von 216.000 Euro für das Reihenhaus und vermittelte zwei Darlehen über insgesamt 171.000 Euro. Zusammen mit einem weiteren Kredit über 45.000 Euro, den ihnen ein anderer Finanzberater andiente, hätte das für den ersehnten Hauskauf ausgereicht. Wenn da nicht ein Haken gewesen wäre: Nachdem die Beraterin B. weitere Gespräche geführt hatte, meinte sie, die Kläger müssten entgegen der ursprünglichen Annahme nun doch eigenes Kapital nachweisen, um von den Banken überhaupt als kreditwürdig angesehen zu werden. Dies sei aber im Ergebnis kein Problem, denn für den Eigen­ka­pi­ta­l­nachweis sei der zusätzliche Kauf einer Eigentumswohnung geradezu ideal.

Bankberaterin vermittelt Eigen­tums­wohnung aus der mit ihrem Ehemann betriebenen Liegen­schafts­ge­sell­schaft

Dabei traf es sich - zumindest aus Sicht der Beraterin - gut, dass sie nicht nur Finanz­be­ra­tungen durchführte, sondern auch zusammen mit ihrem Ehemann für eine Liegen­schafts­ge­sell­schaft – die im hiesigen Verfahren Beklagte – Immobilien vermittelte. Schnell hatte sie daher Bilder einer Eigen­tums­wohnung in Nürnberg zur Hand, die sie den Klägern zum - ebenfalls voll finanzierten - Kauf für 129.000 Euro anbot. Ursprüngliche Bedenken der Kläger gegen den Erwerb von gleich zwei Immobilien, ohne irgendwelche Ersparnisse zu haben, verstand sie auszuräumen. Im November 2006 war es dann soweit und man schloss einen Kaufvertrag über die Eigen­tums­wohnung, die die Kläger, nachdem die beklagte Gesellschaft noch Renovie­rungs­a­r­beiten für ca. 10.000 Euro durchgeführt hatte, ab 1. Januar 2007 vermieten konnten.

Kläger fechten Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an

Bald allerdings geriet die junge Familie in finanzielle Schieflage: Während sie die Darlehensraten für ihr Reihenhaus gerade noch regelmäßig aufbringen konnte, wurde die Finanzierung der Eigen­tums­wohnung, die weniger Miete abwarf, als für sie an die Bank monatlich zu zahlen war, notleidend. Als dann in der Wohnung auch noch Schimmel entdeckt wurde, fochten die Kläger den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und zogen im Jahr 2008 vor das Landgericht Nürnberg-Fürth.

Klage vor dem Landgericht erfolglos

Dort hatten sie mit ihrer Klage auf Rückgän­gig­machung des Kaufvertrags über die Eigen­tums­wohnung und Ersatz der hierfür getätigten Aufwendungen zunächst keinen Erfolg. Weder konnte das Landgericht erkennen, dass die beklagte Vermitt­lungs­ge­sell­schaft Mängel der Wohnung arglistig verschwiegen hatte, noch sah es die Beklagte wegen ungenügender Aufklärung und Finan­zie­rungs­be­ratung in der Pflicht, Schadensersatz an die Kläger zu leisten.

Streit­ge­gen­ständliche Eigen­tums­wohnung wurde einzig zur Generierung von „Eigenkapital" erworben

Ganz anders wurde die Sach- und Rechtslage erst in der Berufungs­instanz beim Oberlan­des­gericht Nürnberg beurteilt. Nachdem die Kläger dort eingehend zu den Umständen des Immobilienkaufs befragt worden waren, stellte sich heraus, dass sie die streit­ge­gen­ständliche Eigen­tums­wohnung gar nicht isoliert erworben hatten, sondern lediglich, um hierdurch „Eigenkapital" für den angestrebten Kauf „ihres“ Reihenhauses zu generieren. Auch wurde offenkundig, dass die beklagte Gesellschaft selbst gerade einmal fünf Tage vor dem Notartermin mit den Klägern die für 129.000 Euro veräußerte Eigen­tums­wohnung im Wege der Zwangs­ver­stei­gerung zum Preis von 49.000 Euro erworben hatte.

Geschäfts­gebaren der Bankberaterin verstößt massiv gegen Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden

Als "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung" wertete das Oberlan­des­gericht Nürnberg dieses Verhalten der Beklagten und sprach den Klägern Schadensersatz zu. Die Empfehlung der Beraterin B., das für den Erwerb eines Hauses fehlende Eigenkapital durch den gleichzeitigen Ankauf einer ebenfalls voll fremd­fi­nan­zierten Eigen­tums­wohnung zu generieren, könne "nur als grotesk" bezeichnet werden. Nach Auffassung des Gerichts hätte keine seriös arbeitende Bank in Kenntnis der wahren Verhältnisse der Kläger diesen gleichzeitigen Ankauf zweier Objekte finanziert. Dabei habe sich die Beraterin unter dem Deckmantel, trotz fehlenden Eigenkapitals eine Möglichkeit für den Erwerb eines Eigenheims gefunden zu haben, in das Vertrauen der Kläger eingeschlichen. Die damit einhergehende Existenz­ge­fährdung der Kläger sei ihr völlig gleichgültig gewesen. Ihr und ihrem Ehemann, mit dem sie arbeitsteilig die Ersteigerung und den sofortigen Weiterverkauf der Eigen­tums­wohnung betrieben habe, sei es ausschließlich um Gewinn­ma­xi­mierung gegangen. Ein derartiges Geschäfts­gebaren verstoße "massiv gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Das Verhalten ihrer Mitarbeiter müsse sich die beklagte Gesellschaft zurechnen lassen. Diese hat nunmehr die Wohnung zurückzunehmen und ca. 140.000 Euro an die Kläger zu leisten.

Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg/ra-online

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