Ein Vermittler überredete das Ehepaar aus dem Ruhrgebiet zum Erwerb der Eigentumswohnung in Georgsmarienhütte bei Osnabrück. Sie könnten durch den Erwerb der Wohnung als Kapitalanlage Steuervorteile nutzen. Die Eheleute waren im Hinblick auf Immobilien geschäftlich unerfahren; die Frau war als Maschinistin und der Ehemann als Maschinenschlosser in der Nachtschicht tätig. Da sie zudem aus Portugal stammten, erbot sich der Vermittler zur Vermeidung etwaiger Sprachprobleme als ihr Vertreter den Kaufvertrag zu schließen. Weil die Eheleute über kein Eigenkapital verfügten, überredete er sie zur Aufnahme eines Darlehens und vermittelte ihnen einen Kredit einer süddeutschen Immobilienbank über 162.800 DM (83.240 Euro) zur Finanzierung des Erwerbs.
Der Vermittler erweckte bei den Käufern den Eindruck, dass die Lasten in Höhe von ca. 950 DM (485 Euro) monatlich aus den Mieteinnahmen und den Steuerersparnissen finanziert werden könnten. Deshalb nahmen die Eheleute das Darlehen auf und kauften, vertreten durch den Vermittler, die Wohnung. Nach dem Kauf stellten sie dann fest, dass die erwarteten Mieten nicht zu erzielen waren und der Bau wesentlich maroder war als angenommen. Ein von ihnen eingeholtes Wertgutachten des Gutachterausschusses ergab einen Verkehrswert von ca. 63.000 DM (32.200 Euro).
Sie fühlten sich getäuscht und verlangten von der Immobilienfirma ihr Geld zurück. Diese weigerte sich jedoch. Darauf klagten die Eheleute vor dem Landgericht Osnabrück. Dieses holte ein weiteres Wertgutachten ein. Danach ergab sich ebenfalls einen Verkehrswert der Eigentumswohnung von ca. 63.000 DM (32.200 Euro). Daraufhin verurteilte das Landgericht Osnabrück die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung der Wohnung. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg mit Urteil vom 17.06.2002 zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts Osnabrück sei richtig. Der Kaufvertrag sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Ein Vertrag sei dann sittenwidrig, wenn sich der Vertragspartner in verwerflicher Gesinnung eine Leistung versprechen lasse, deren Wert in grobem Missverhältnis zum Wert der Gegenleistung stehe. Ein solches Missverhältnis liege regelmäßig vor, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch sei, wie der Wert der Gegenleistung. Dies sei hier angesichts eines Kaufpreises von ca. 77.790 Euro im Verhältnis zu einem Wohnungswert von ca. 32.200 Euro der Fall. Bei einem solchen Missverhältnis könne auch ohne weiteres auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten geschlossen werden. Im übrigen habe die Beklagte durchaus erkannt, dass es sich für sie um ein außergewöhnlich vorteilhaftes Geschäft gehandelt habe. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass sie vom Kaufpreis an die Vermittler eine Provision in Höhe von ca. 21.500 DM (ca. 11.000 Euro) gezahlt habe. Dies entspreche einem Anteil von 14 % am Verkaufserlös und liege deutlich über der üblichen Provision, die sonst bei eher 3 % zu veranschlagen sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.04.2005
Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 26.06.2002