18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen mehrere Chips und Würfel, wie sie im Casino verwendet werden.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Naumburg Urteil08.10.2012

Sport­wet­ten­angebot eines englischen Unternehmens ist ungenehmigt, aber dennoch zulässigOberlan­des­gericht hält alten Glückss­piel­staats­vertrag für unwirksam

Die Klage auf Schadenersatz des Lotto Toto Sachsen-Anhalt gegen eine englische Unter­neh­mens­gruppe in Deutschland wurde nunmehr vom Oberlan­des­gericht Naumburg abgewiesen.

In dem zugrunde liegenden Fall bietet eine englische Unter­neh­mens­gruppe in Deutschland ohne behördliche Genehmigung Sportwetten über das Internet an. Der staatliche Monopolanbieter, Lotto Toto Sachsen-Anhalt, wollte dies unterbinden und für die seit dem Jahr 2008 entstandenen Nachteile Schadenersatz.

Geneh­mi­gungs­er­teilung nach dem Glückss­piel­staats­vertrag nur für Mitglieder des staatlichen Deutschen Lotto und Toto-Bundes vorgesehen

Wer Glücksspiel veranstalten oder vermitteln will, braucht hierfür eine Erlaubnis. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag, der vom 01.01.2008 bis 30.06.2012 galt, konnte eine solche Genehmigung im Bereich von Lotterien und Sportwetten aber nur Mitgliedern des staatlichen Deutschen Lotto und Toto-Bundes (DLTB) erteilt werden. Infolge des Monopols durften private Anbieter ihre Leistungen in diesem Segment des Glückss­piel­marktes nicht vertreiben. Das damit verbundene Tätig­keits­verbot ist nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richtes Naumburg vom 27. September 2012 jedenfalls in Fällen mit einem Bezug zum EU-Ausland mit höherrangigem Recht nicht vereinbar und daher unverbindlich. Denn der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union sieht vor, dass „Beschränkungen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitglieds­s­taaten, die in einem anderen Mitgliedsstaat als demjenigen des Leistungs­emp­fängers ansässig sind, […] verboten sind“. Diese Garantie darf zwar aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls eingeschränkt werden – dazu gehört auch der Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Glücksspiels. Solche Restriktionen müssen aber „kohärent“, also in sich stimmig und konsequent sein. Damit wird verhindert, dass die Mitgliedstaaten sich zu ihrer Verpflichtung auf einen Binnenmarkt durch nationale Regelungen oder durch deren unzureichenden Vollzug in Widerspruch setzen.

Staatliches Monopol auf Sportwetten soll Bevölkerung vor Gefahren von Glücksspielen bewahren

Das staatliche Monopol auf Sportwetten und Lotterien soll der Bekämpfung der Spielsucht, der Begrenzung des Angebots, der Kanalisation der Spiel- und Wettnachfrage auf legale Angebote, dem Jugend- und dem Spielerschutz sowie der Vermeidung der Begleit- und Folge­kri­mi­nalität dienen. Aus dieser Aufga­ben­stellung ergeben sich zwei Konsequenzen für die Glückss­piel­politik, die nach Auffassung des Senats jedoch nicht ausreichend beachtet worden sind: Die Werbung des DLTB darf über eine bloße Information über die Spielteilnahme nicht hinaus gehen. Wetten darf nicht als sozia­l­ver­trägliche Unterhaltung mit positivem Image dargestellt werden. Wegen der verwendeten Slogans, der Steigerung der Werbeausgaben anlässlich bedeutender sportlicher Ereignisse geht der Senat hier indes von einer umsatz­stei­gernden und damit unzulässigen Werbepolitik des DLTB aus.

Spielbanken haben mit Abstand das größte Suchtpotenzial

Maßgebliche Bedeutung komme ferner dem Umstand zu, dass die Bundesrepublik neben dem Monopol auf Lotterien und Sport ein breites (legales) Angebot zulasse. Inzwischen entfalle nur noch ca. ein Drittel des Umsatzes des gesamten Glückss­piel­marktes auf Lotto 6 aus 49 und Oddset, während je ein weiteres Drittel in Spielbanken und mit Geldautomaten erzielt würde, die mit Abstand das höchste Suchtpotential hätten. Weil insbesondere suchtgefährdete Spieler auf dieses Alter­na­ti­v­angebot auswichen, könne das Monopol die mit ihm beabsichtigten Wirkungen allenfalls noch in einem kleinen Teilbereich erzielen und werde seiner Funktion nicht mehr gerecht. Daher dürfe die Dienst­leis­tungs­freiheit der britischen Anbieter nicht beschränkt werden.

Monopolregelung soll durch Konzes­si­ons­modell ersetzt werden

Am 01.07.2012 ist der Erste Glückss­pie­l­än­de­rungs­staats­vertrag in Kraft getreten, der die Monopolregelung suspendiert und an ihrer Stelle ein Konzes­si­ons­modell vorsieht. Danach sollen 20 privaten Anbietern auf 7 Jahre Erlaubnisse erteilt werden. Die europaweite Ausschreibung dieser Konzessionen lief am 12.09.2012 ab. Bis das neue Regelungsmodell durch Vergabe der Konzessionen implementiert ist, darf die englische Unter­neh­mens­gruppe nun weiterhin Sportwetten anbieten.

Quelle: Oberlandesgericht Naumburg/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil14318

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI