15.11.2024
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Oberlandesgericht Köln Urteil27.11.2012

Religiös begründete Ablehnung des angeblich "neoma­r­xis­tischen" staatlichen Lehrplanes rechtfertigt keine Schul­ver­wei­gerungKonflikt zwischen Erziehungsrecht der Eltern und staatlichem Bildungs- und Erzie­hungs­auftrag rechtfertigt keine generelle Verweigerung des Schulbesuchs

Eine religiös begründete Ablehnung des angeblich "neoma­r­xis­tischen" staatlichen Lehrplanes rechtfertigt keine Schul­ver­wei­gerung. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Köln und wies einen Antrag auf Zulassung der Rechts­be­schwerde zurück, mit dem sich die Eltern zweier schul­pflichtiger Kinder gegen ihre Verurteilung zur Zahlung eines Bußgeldes gewehrt hatten.

Die im Großraum Bonn wohnhaften Eltern des zugrunde liegenden Streitfalls wurden vom Kreisschulamt im Sommer 2010 mehrfach vergeblich aufgefordert, zwei ihrer Kinder zur Grundschule anzumelden. Schließlich meldete das Schulamt selbst den zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alten Sohn und die 8 Jahre alte Tochter zur nächst gelegenen städtischen Gemein­schafts­grund­schule an. Die Kinder erschienen nicht zum Unterricht. Nach mehrfacher Mahnung der Eltern und einem Gespräch mit dem Vater über das Schulkonzept, die jedoch nicht zur Aufnahme des Schulbesuchs führten, setzte der Kreis gegen die Eltern ein Bußgeld in Höhe von jeweils 150 Euro fest.

Eltern rügen Zerstörung der Eltern-Kind-Beziehung und Entfernung christlicher Werte durch Schulunterricht

Hiergegen wandten sich die Betroffenen mit dem Argument, das Kreisschulamt habe mit dem Bußgeldbescheid gegen Menschenrechte und gegen die Grundrechte der Eltern aus Art. 6 und Art. 7 des Grundgesetzes verstoßen. Die im nordrhein-westfälischen Schulgesetz normierte Schulpflicht verstoße gegen die Neutra­li­täts­pflicht des Staates. Die eingesetzten Schul­ma­te­rialien seien wissen­schaftlich nicht korrekt. Vielmehr sei der Schulunterricht neomarxistisch angelegt und ziele darauf ab, die Eltern-Kind-Beziehung zu zerstören und christliche Werte aus der Gesellschaft zu entfernen. Die Schule betreibe die Erziehung der Kinder zur Schamlosigkeit, trainiere sie in der Gossensprache und wolle durch "Gender Mainstreaming" die gottgegeben unter­schied­lichen Wesensmerkmale von Mann und Frau verwischen.

Staat darf unabhängig von erzieherischen Vorstellungen der Eltern auch eigene Erziehungsziele verfolgen

Das Amtsgericht reduzierte zwar das Bußgeld im Hinblick auf die wirtschaft­lichen Verhältnisse der Familie auf 100 Euro hinsichtlich des Kindesvaters und wegen eines anzunehmenden nur fahrlässigen Verstoßes auf 50 Euro hinsichtlich der Mutter, wollte aber im übrigen keinen Rechtsverstoß des Kreisschulamtes erkennen. Die Ausübung des elterlichen Erzie­hungs­rechts unterliege nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz der Überwachung durch die staatliche Gemeinschaft. Nach Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz unterstehe das Schulwesen der staatlichen Aufsicht. Damit dürfe der Staat unabhängig von den erzieherischen Vorstellungen der Eltern auch eigene Erziehungsziele verfolgen. Es bleibe den Eltern unbenommen, im außer­schu­lischen Bereich durch eigene erzieherische Maßnahmen ihrer Meinung nach bestehende Mängel der schulischen Erziehung auszugleichen. Ob der Schulunterricht nach staatlichen Lehrplänen als neomarxistisch einzuordnen sei, hat das Amtsgericht unerörtert gelassen.

Eltern können Kinder allenfalls von einzelnen schulischen Veranstaltungen befreien

Dem gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Rechts­be­schwerde hat das Oberlan­des­gericht Köln nicht stattgegeben und auf die Begründung des Amtsgerichts verwiesen. Ein Konflikt zwischen der Glaubens­freiheit und dem Erziehungsrecht der Eltern einerseits und dem staatlichen Bildungs- und Erzie­hungs­auftrag könne nur durch Befreiung von einzelnen schulischen Veranstaltungen nach § 43 Abs. 3 Satz 1SchulG NWR gelöst werden, nicht aber eine generelle Verweigerung des Schulbesuchs rechtfertigen.

Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss ist nicht gegeben. Die beiden Kinder besuchen zwischen­zeitlich eine Realschule.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online

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