Dokument-Nr. 8007
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Verwaltungsgericht Göttingen Urteil10.06.2009
Religiöse Vorbehalte kein Grund für die Befreiung von der SchulpflichtStaatlicher Erziehungsauftrag darf nicht durch eigenmächtiges Handeln und Unterrichten durch die Eltern unterlaufen werden
Eltern eines Kindes im schulpflichtigen Alter können auch dann für das Kind keine Befreiung von der Schulpflicht beantragen, wenn sie der Auffassung sind, die Lehrinhalte und Übungen der Schule würden ihrem Religionsverständnis widersprechen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Göttingen.
Die etwa 10-jährige Tochter der Kläger besuchte bisher weder eine öffentliche noch eine private Schule; sie erhielt ausschließlich Privatunterricht. Im Jahre 2007 beantragten die Eltern des Kindes, ihre Tochter von der Schulpflicht zu befreien. Sie begründeten ihren Antrag im Wesentlichen damit, sie wollten ihre Tochter vor Lehrinhalten und Übungen bewahren, die ihrem Religionsverständnis widersprächen. Mit ihrem Religionsverständnis seien insbesondere die Evolutionslehre, die Herabsetzung der elterlichen Autorität, die Sexualerziehung, alle Arten von Geschichten über Hexen und Zauberei sowie esoterische Übungen nicht vereinbar. Gegen die Ablehnung dieses Antrags durch die beklagte Landesschulbehörde richtete sich die von Eltern des Kindes angestrengte Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen.
Schulgesetz wahrt Grundsatz der Neutralität und Toleranz
Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 10. Juni 2009 ab. Ein Ausnahmefall, der nach den Bestimmungen des Niedersächsischen Schulgesetzes in den ersten sechs Schuljahrgängen eine Befreiung von der Schulpflicht ermögliche, liege nicht vor. Dem verfassungsrechtlich verbürgten Recht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen, stehe der staatliche Erziehungsauftrag gegenüber. Dieser würde unterlaufen, stünde der Schulbesuch zur freien Verfügung der Eltern. Auch die religiösen Überzeugungen der Kläger begründeten eine Ausnahme nicht. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts führte die Kammer aus, das Niedersächsische Schulgesetz sehe hinsichtlich der Sexualerziehung Regelungen vor, die unter Einbeziehung der Eltern sicherstellten, dass eine Indoktrinierung der Schüler auf diesem Gebiet nicht erfolge. Neutralität und Toleranz blieben gewahrt. Das Neutralitätsgebot gewährleiste zudem, dass neben der Evolutionslehre auch andere Vorstellungen über die Entstehung des Lebens unterrichtet würden. Der bloße Erwerb des Wissens über die Evolutionstheorie beeinträchtigte die Religionsfreiheit nicht. Okkulte oder esoterische Praktiken und Lehrinhalte vermochte das Gericht an niedersächsischen Schulen entgegen den Klägern nicht ansatzweise zu erkennen. Zusammenfassend konstatierte das Gericht, mit dem elterlichen Sorgerecht sei kein Recht auf "Herausnahme" eines Kindes aus der Gesellschaft verbunden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.06.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. des VG Göttingen vom 16.06.2009
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