22.11.2024
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Dokument-Nr. 8007

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Verwaltungsgericht Göttingen Urteil10.06.2009

Religiöse Vorbehalte kein Grund für die Befreiung von der SchulpflichtStaatlicher Erzie­hungs­auftrag darf nicht durch eigenmächtiges Handeln und Unterrichten durch die Eltern unterlaufen werden

Eltern eines Kindes im schul­pflichtigen Alter können auch dann für das Kind keine Befreiung von der Schulpflicht beantragen, wenn sie der Auffassung sind, die Lehrinhalte und Übungen der Schule würden ihrem Religi­o­ns­ver­ständnis widersprechen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Göttingen.

Die etwa 10-jährige Tochter der Kläger besuchte bisher weder eine öffentliche noch eine private Schule; sie erhielt ausschließlich Privat­un­terricht. Im Jahre 2007 beantragten die Eltern des Kindes, ihre Tochter von der Schulpflicht zu befreien. Sie begründeten ihren Antrag im Wesentlichen damit, sie wollten ihre Tochter vor Lehrinhalten und Übungen bewahren, die ihrem Religi­o­ns­ver­ständnis widersprächen. Mit ihrem Religi­o­ns­ver­ständnis seien insbesondere die Evolutionslehre, die Herabsetzung der elterlichen Autorität, die Sexualerziehung, alle Arten von Geschichten über Hexen und Zauberei sowie esoterische Übungen nicht vereinbar. Gegen die Ablehnung dieses Antrags durch die beklagte Landes­schul­behörde richtete sich die von Eltern des Kindes angestrengte Klage vor dem Verwal­tungs­gericht Göttingen. 

 

Schulgesetz wahrt Grundsatz der Neutralität und Toleranz

Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 10. Juni 2009 ab. Ein Ausnahmefall, der nach den Bestimmungen des Nieder­säch­sischen Schulgesetzes in den ersten sechs Schuljahrgängen eine Befreiung von der Schulpflicht ermögliche, liege nicht vor. Dem verfas­sungs­rechtlich verbürgten Recht der Eltern, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen, stehe der staatliche Erzie­hungs­auftrag gegenüber. Dieser würde unterlaufen, stünde der Schulbesuch zur freien Verfügung der Eltern. Auch die religiösen Überzeugungen der Kläger begründeten eine Ausnahme nicht. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundes­ver­fassungs- und Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts führte die Kammer aus, das Nieder­säch­sische Schulgesetz sehe hinsichtlich der Sexualerziehung Regelungen vor, die unter Einbeziehung der Eltern sicherstellten, dass eine Indoktrinierung der Schüler auf diesem Gebiet nicht erfolge. Neutralität und Toleranz blieben gewahrt. Das Neutra­li­tätsgebot gewährleiste zudem, dass neben der Evolutionslehre auch andere Vorstellungen über die Entstehung des Lebens unterrichtet würden. Der bloße Erwerb des Wissens über die Evolu­ti­o­ns­theorie beeinträchtigte die Religionsfreiheit nicht. Okkulte oder esoterische Praktiken und Lehrinhalte vermochte das Gericht an nieder­säch­sischen Schulen entgegen den Klägern nicht ansatzweise zu erkennen. Zusammenfassend konstatierte das Gericht, mit dem elterlichen Sorgerecht sei kein Recht auf "Herausnahme" eines Kindes aus der Gesellschaft verbunden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. des VG Göttingen vom 16.06.2009

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