Oberlandesgericht Koblenz Beschluss01.12.2011
Stuhlbein weggebrochen: Reiseveranstalter haftet nicht für Schaden nach Sturz von einem Plastikstuhl im HotelVerkehrssicherungspflicht besteht nur für allgemein als gefahrtragend anzusehende Einrichtungsgegenstände und Hotelanlagen
Verletzt sich ein Urlauber durch das Wegknicken eines Plastikstuhlbeins, so hat er nicht automatisch Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden.
Im vorliegenden Fall klagte ein Mann gegen seinen Reiseveranstalter auf Schadensersatz, nachdem er sich in seinem Hotel durch den Sturz mit einem Plastikstuhl einen Halswirbel gebrochen hatte. Der Kläger verbrachte gemeinsam mit seiner Frau einen Urlaub in Kroatien, den das Paar als Pauschalreise gebucht hatte. Der Unfall ereignete sich, als sich der Mann zum Lesen auf einen Plastikstuhl auf dem Balkon setzte und das hintere Bein des Stuhls plötzlich einknickte. Der Mann schlug schließlich mit dem Hinterkopf an der sich hinter ihm befindlichen Betonwand und auf dem Betonboden auf und erlitt dabei eine Schürfwunde am Hinterkopf und brach sich den siebten Halswirbel. Der Kläger verlangte vor Gericht die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro vom Reiseveranstalter sowie den Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Schäden, die ihm aufgrund des Vorfalls noch entstehen würden.
Reiseveranstalter muss Sicherheitsstandard der Vertragshotels ausreichend prüfen
Das Oberlandesgericht Koblenz gelangte jedoch zu der Überzeugung, dass kein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gegen den Reiseveranstalter bestanden habe. Zwar komme eine Haftung des Reiseveranstalters aus unerlaubter Handlung aufgrund einer eigenen Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht. Den Reiseveranstalter treffe bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen eine eigene Verkehrssicherungspflicht. Diese Pflicht erstrecke sich nicht nur auf die Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals und eigener Transportmittel, sondern auch auf die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger. Der Reiseveranstalter müsse sich vergewissern, dass das Vertragshotel einen ausreichenden Sicherheitsstandard biete und sich davon überzeugen, dass Treppen, Aufzüge, elektrische Anlagen, Wasserrutschen oder Swimmingpools keine Gefahren für die Hotelgäste darstellten.
Häufigkeit und Umfang der erforderlichen Überprüfungen muss für Reiseveranstalter zumutbar sein
Jedoch könne nicht erwartet werden, dass auch Plastikstühle regelmäßig auf ihre Gefährlichkeit hin geprüft würden. Konnte der Kläger den Schaden am Plastikstuhl nicht erkennen, so konnte dies auch nicht zwingend vom Hotelpersonal oder vom Reiseveranstalter erwartet werden. Die Frage, wie häufig und in welchem Umfang die im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht erforderlichen Überprüfungen stattfinden müssten, hänge vom Einzelfall ab, wobei auch die Zumutbarkeit für den Reiseveranstalter zu berücksichtigen sei (BGH, NJW 2006, 3268: Wasserrutsche). Der Reiseveranstalter im vorliegenden Fall trug vor, dass das Hotelzimmer täglich gesäubert und dabei zwangsläufig auch die Funktionstüchtigkeit der Plastikstühle auf dem Balkon in gebotenem Maße "überprüft" worden sei. Wäre ein Stuhl angebrochen gewesen, wäre dies beim Säubern bemerkt worden. Sämtliche Stühle seien zudem erst vor kurzem neu beschafft worden und wären mit dem Sicherheitszertifikat "CE" ausgestattet gewesen.
Das Gericht sah nach Darlegung dieser Umstände keine Veranlassung, dem Reiseveranstalter ein Fehlverhalten vorzuwerfen. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz habe demnach nicht festgestellt werden können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.05.2012
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Koblenz (vt/st)