Dokument-Nr. 27004
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- MDR 2017, 384Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2017, Seite: 384
- NJW-RR 2017, 624Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 624
- Landgericht Karlsruhe, Urteil09.10.2015, 10 O 173/15
- Zur Haftung des Reiseveranstalters, wenn ein 7-jähriges Kind aus dem Bett fällt und sich verletztOberlandesgericht Karlsruhe, Urteil18.04.2007, 7 U 73/06
- Kein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei Sturz aus einer Hängematte während KreuzfahrtAmtsgericht Rostock, Urteil22.02.2014, 47 C 359/13
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil28.09.2016
Reiseveranstalter haftet für Sturz eines 5 ½-jährigen Kindes aus ungesichertem HochbettKeine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern
Stürzt ein 5 ½ -jähriges Kind beim Vornüberbeugen aus einem Hochbett ohne Absturzsicherung, so haftet dafür der Reiseveranstalter. Eine Aufsichtspflichtverletzung ist den Eltern nicht anzulasten. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mehrere Familien wollten über den Jahreswechsel 2013/2014 in einer Schweizer Berghütte einer deutschen Reiseveranstalterin Urlaub machen. Jedoch kam es gleich am ersten Tag zu einem Unfall. Ein 5 ½-jähriges Kind stürzte kopfüber aus dem Hochbett auf den gefliesten Boden und verletzte sich schwer. Zu dem Sturz kam es, weil das Kind sich mit dem Kopf über die Kante des Hochbetts gebeugt hatte und infolgedessen heruntergerutscht war. Das Hochbett verfügte über keine Absturzsicherung. Die Eltern des Kindes machten dafür die Reiseveranstalterin verantwortlich. Das Kind klagte daher vertreten durch die Eltern auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro.
Landgericht weist Schmerzensgeldklage ab
Das Landgericht Karlsruhe wies dies die Schmerzensgeldklage ab. Die Beklagte habe keine Pflichtverletzung begangen. Da Hochbetten mit Absturzsicherung vorhanden waren, habe sie davon ausgehen dürfen, dass kleine Kinder die ungesicherten Hochbetten nicht benutzen würden. Zudem sei es nicht Aufgabe einer Absturzsicherung, Stürze von Kleinkindern zu verhindern, die auf dem Hochbett spielten oder sich sonst kleinkindgerecht verhielten. Ferner hätte die erkennbar fehlende Absicherung den Eltern der Klägerin dringende Veranlassung zur besonderen Umsicht geben müssen. Die Mitverantwortung der Eltern an dem Sturz sei derart hoch, dass dahinter eine etwaige Verantwortung der Beklagten zurücktreten würde. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Oberlandesgericht bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Es bestehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld, da das Hochbett pflichtwidrig nicht mit einer Absturzsicherung versehen war. Dies widerspreche der Norm EN 747-1 und stelle daher einen Reisemangel dar. Die Norm sei auch in der Schweiz zu beachten.
Kein ausschließlicher Schutz vor Herausfallen aus Hochbett im Schlaf
Eine Absturzsicherung bei Hochbetten diene nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht ausschließlich dem Schutz vor dem Herausfallen im Schlaf. Sie solle vielmehr auch bei sachgemäßer Benutzung des Hochbetts im wachen Zustand Schutz bieten. Das Vornüberbeugen eines Kindes, um in das untere Bett hineinschauen zu können, stelle noch eine sachgemäße Benutzung dar. Wäre eine Absicherung vorhanden gewesen, wäre der Sturz mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen.
Kein Mitverschulden der Eltern wegen Aufsichtspflichtverletzung
Ein Mitverschulden der Eltern wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht sei nicht festzustellen, so das Oberlandesgericht. So haben die Eltern die von den ungesicherten Hochbetten ausgehende Gefahr erkannt und dem insofern Rechnung getragen, dass die ungesicherten Hochbetten den älteren Kindern zugeteilt wurden. Ein 5 ½-jähriges Kind müsse auch nicht stets überwacht werden. Normal entwickelte Kinder in dem Alter können bereist eine gewisse Zeit ohne unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit und Aufsicht gelassen werden. Den Eltern könne allenfalls eine leichte Aufsichtspflichtverletzung vorgeworfen werden, weil sie nicht zur besonderen Vorsicht gemahnt haben. Diese Pflichtverletzung wiege aber gegenüber der Verantwortung der Beklagte so gering, dass sie nicht ins Gewicht falle.
Schmerzensgeld von 10.000 Euro
Das Oberlandesgericht sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu. Es berücksichtigte dabei, dass die Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma mit Bruch des rechten Stirn- und Scheitelbeins, ein epidurales Hämatom von 2 cm, einen Bruch der rechten Augenhöhle und einen Bluterguss am rechten Auge erlitt. Nicht unberücksichtigt blieb zudem, dass die Klägerin in den ersten Tagen starke Schmerzen hatte, durch die geschwollenen Augen kaum sehen konnte und eine neurochirurgische Operation notwendig war. Sie war ferner eine Woche im Krankenhaus und konnte drei Monate keinen Sport treiben. Dauerschäden verblieben jedoch nicht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.02.2019
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)
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