21.11.2024
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Dokument-Nr. 27004

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Urteil28.09.2016Oberlandesgericht Karlsruhe7 U 196/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2017, 384Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2017, Seite: 384
  • NJW-RR 2017, 624Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 624
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Vorinstanz:
  • Landgericht Karlsruhe, Urteil09.10.2015, 10 O 173/15
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil28.09.2016

Reise­ver­an­stalter haftet für Sturz eines 5 ½-jährigen Kindes aus ungesichertem HochbettKeine Aufsichts­pflicht­verletzung der Eltern

Stürzt ein 5 ½ -jähriges Kind beim Vornüberbeugen aus einem Hochbett ohne Absturz­si­cherung, so haftet dafür der Reise­ver­an­stalter. Eine Aufsichts­pflicht­verletzung ist den Eltern nicht anzulasten. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mehrere Familien wollten über den Jahreswechsel 2013/2014 in einer Schweizer Berghütte einer deutschen Reise­ver­an­stalterin Urlaub machen. Jedoch kam es gleich am ersten Tag zu einem Unfall. Ein 5 ½-jähriges Kind stürzte kopfüber aus dem Hochbett auf den gefliesten Boden und verletzte sich schwer. Zu dem Sturz kam es, weil das Kind sich mit dem Kopf über die Kante des Hochbetts gebeugt hatte und infolgedessen herun­ter­ge­rutscht war. Das Hochbett verfügte über keine Absturzsicherung. Die Eltern des Kindes machten dafür die Reise­ver­an­stalterin verantwortlich. Das Kind klagte daher vertreten durch die Eltern auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro.

Landgericht weist Schmer­zens­geldklage ab

Das Landgericht Karlsruhe wies dies die Schmer­zens­geldklage ab. Die Beklagte habe keine Pflicht­ver­letzung begangen. Da Hochbetten mit Absturz­si­cherung vorhanden waren, habe sie davon ausgehen dürfen, dass kleine Kinder die ungesicherten Hochbetten nicht benutzen würden. Zudem sei es nicht Aufgabe einer Absturz­si­cherung, Stürze von Kleinkindern zu verhindern, die auf dem Hochbett spielten oder sich sonst klein­kind­gerecht verhielten. Ferner hätte die erkennbar fehlende Absicherung den Eltern der Klägerin dringende Veranlassung zur besonderen Umsicht geben müssen. Die Mitver­ant­wortung der Eltern an dem Sturz sei derart hoch, dass dahinter eine etwaige Verantwortung der Beklagten zurücktreten würde. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.

Oberlan­des­gericht bejaht Anspruch auf Schmerzensgeld

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Es bestehe ein Anspruch auf Schmerzensgeld, da das Hochbett pflichtwidrig nicht mit einer Absturz­si­cherung versehen war. Dies widerspreche der Norm EN 747-1 und stelle daher einen Reisemangel dar. Die Norm sei auch in der Schweiz zu beachten.

Kein ausschließ­licher Schutz vor Herausfallen aus Hochbett im Schlaf

Eine Absturz­si­cherung bei Hochbetten diene nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts nicht ausschließlich dem Schutz vor dem Herausfallen im Schlaf. Sie solle vielmehr auch bei sachgemäßer Benutzung des Hochbetts im wachen Zustand Schutz bieten. Das Vornüberbeugen eines Kindes, um in das untere Bett hineinschauen zu können, stelle noch eine sachgemäße Benutzung dar. Wäre eine Absicherung vorhanden gewesen, wäre der Sturz mit hoher Wahrschein­lichkeit vermeidbar gewesen.

Kein Mitverschulden der Eltern wegen Aufsichts­pflicht­ver­letzung

Ein Mitverschulden der Eltern wegen der Verletzung der Aufsichts­pflicht sei nicht festzustellen, so das Oberlan­des­gericht. So haben die Eltern die von den ungesicherten Hochbetten ausgehende Gefahr erkannt und dem insofern Rechnung getragen, dass die ungesicherten Hochbetten den älteren Kindern zugeteilt wurden. Ein 5 ½-jähriges Kind müsse auch nicht stets überwacht werden. Normal entwickelte Kinder in dem Alter können bereist eine gewisse Zeit ohne unmittelbare Einwir­kungs­mög­lichkeit und Aufsicht gelassen werden. Den Eltern könne allenfalls eine leichte Aufsichtspflichtverletzung vorgeworfen werden, weil sie nicht zur besonderen Vorsicht gemahnt haben. Diese Pflicht­ver­letzung wiege aber gegenüber der Verantwortung der Beklagte so gering, dass sie nicht ins Gewicht falle.

Schmerzensgeld von 10.000 Euro

Das Oberlan­des­gericht sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu. Es berücksichtigte dabei, dass die Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma mit Bruch des rechten Stirn- und Scheitelbeins, ein epidurales Hämatom von 2 cm, einen Bruch der rechten Augenhöhle und einen Bluterguss am rechten Auge erlitt. Nicht unberück­sichtigt blieb zudem, dass die Klägerin in den ersten Tagen starke Schmerzen hatte, durch die geschwollenen Augen kaum sehen konnte und eine neuro­chir­ur­gische Operation notwendig war. Sie war ferner eine Woche im Krankenhaus und konnte drei Monate keinen Sport treiben. Dauerschäden verblieben jedoch nicht.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)

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