21.11.2024
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Dokument-Nr. 12293

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Urteil13.09.2011Oberlandesgericht Karlsruhe17 U 99/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2011, 2256Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2011, Seite: 2256
  • ZIP 2011, 1979Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2011, Seite: 1979
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil13.09.2011

OLG Karlsruhe: Stellenanzeige "Geschäftsführer gesucht" führt zu geschlechts­be­zogener BenachteiligungStelle­n­aus­schreibung verstößt gegen Benach­tei­li­gungs­verbot des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes

Eine Stelle­n­aus­schreibung mit dem Inhalt "Geschäftsführer gesucht ..." ist nicht geschlechts­neutral gehalten und verstößt somit gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Karlsruhe und sprach einer abgelehnten Bewerberin eine Entschädigung von rund 13.000 Euro zu.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls ist ein mittel­stän­disches Unternehmen. In ihrem Auftrag gab eine Rechts­an­walts­kanzlei 2007 in den Badischen Neuesten Nachrichten nacheinander zwei Stellenanzeigen folgenden Inhalts auf:

„Geschäftsführer im Mandan­ten­auftrag zum nächstmöglichen Eintrittstermin gesucht für mittel­stän­disches … Unternehmen mit Sitz im Raum Karlsruhe. Fähigkeiten in Akquisition sowie Finanz- und Rechnungswesen sind erforderlich, Erfahrungen in Führungs­po­si­tionen erwünscht. Frühere Tätigkeiten in der Branche nicht notwendig…“

Bewerbung blieb unberück­sichtigt – Klägerin meldet Entschä­di­gungs­ansprüche in Höhe von knapp 25.000 Euro an

Die auch als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war bereits 20 Jahre bei Versi­che­rungs­un­ter­nehmen tätig gewesen, zuletzt als Perso­na­l­leiterin. Nachdem ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden war, meldete sie umgehend Entschä­di­gungs­ansprüche in Höhe von knapp 25.000 Euro an und begehrte Auskunft über den Auftraggeber der Stellenanzeige. Den benannte die Rechts­an­walts­kanzlei erst, nachdem sie vom Landgericht Karlsruhe im April 2008 dazu verurteilt worden war.

Landgericht weist Klage wegen geschlechts­be­zogener Benachteiligung zurück

Die danach erhobene Klage der Rechtsanwältin gegen das ausschreibende Unternehmen auf Entschädigung wegen geschlechts­be­zogener Benachteiligung im Bewer­bungs­ver­fahren wurde vom Landgericht Karlsruhe zurückgewiesen.

Ausschreibung nicht geschlechts­neutral formuliert

Die Berufung der Klägerin zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe hatte teilweise Erfolg. Das Gericht sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von ca. 13.000 Euro zu, wies die Klage im Übrigen jedoch ab. Das Gericht führte aus, dass die Stelle­n­aus­schreibung gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes (§ 7 AGG) verstoße. Aufgrund dieses Verbotes dürfe nicht nach männlichen oder weiblichen Kandidaten gesucht werden. Geschlechts­neutral sei eine Ausschreibung nur formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richte. Dem sei jedenfalls dann Rechnung getragen, wenn die Berufs­be­zeichnung in männlicher und weiblicher Form verwendet oder ein geschlechts­neu­traler Oberbegriff gewählt werde. Diesen Vorgaben genüge die Stelle­n­aus­schreibung hier nicht, da der Begriff „Geschäftsführer“ eindeutig männlich sei und weder durch den Zusatz „/in“ noch durch die Ergänzung „m/w“ erweitert werde. Dieser männliche Begriff werde auch im weiteren Kontext der Anzeige nicht relativiert. Das AGG selbst spreche dagegen ausdrücklich von „Geschäfts­führern und Geschäfts­füh­re­rinnen“.

Arbeitgeber trifft Pflicht, Ordnungs­ge­mäßheit der Ausschreibung zu überwachen

Dass die Stellenanzeige nicht von dem beklagten Unternehmen, sondern von der Rechts­an­walts­kanzlei formuliert worden sei, ändere nichts; bediene sich der Arbeitgeber nämlich zur Stelle­n­aus­schreibung eines Dritten, so sei ihm dessen Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber treffe die Sorgfalts­pflicht, die Ordnungs­ge­mäßheit der Ausschreibung zu überwachen.

Ausschreibendes Unternehmen muss nachweisen können, dass Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde

Diese nicht geschlechts­neutrale Stelle­n­aus­schreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen müsse, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei, dass also das Geschlecht der Klägerin bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe allerdings die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt. Die Tatsache, dass eine weibliche Bewerberin zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung allein nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akqui­si­ti­o­ns­er­fahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei nämlich nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akqui­si­ti­o­ns­er­fahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe.

Klägerin nicht eindeutig ungeeignet oder über- bzw. unter­qua­li­fiziert für ausgeschriebene Stelle

Eine Benachteiligung der Klägerin sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihre Bewerbung subjektiv nicht ernst gemeint, sondern ausschließlich auf Erlangung einer Entschädigung gerichtet gewesen wäre. Die Beklagte habe keine ausreichenden Indizien für eine missbräuchliche Bewerbung der Klägerin dargelegt. Die Klägerin sei vielmehr nur nebenberuflich als Rechtsanwältin zugelassen gewesen, sie habe sich beruflich verändern wollen und sei mittlerweile bei einem Unternehmen auch im Bereich Kundenbetreuung und Akquisition tätig. Es sei auch nicht erkennbar, dass sie für die ausgeschriebene Stelle völlig ungeeignet oder über- bzw. unter­qua­li­fiziert gewesen wäre.

Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes angemessen

Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, insoweit halte das Gericht eine Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes, hier ca. 13.000 Euro, für angemessen. Für die Höhe sei unter anderem ausschlaggebend, dass sie auch abschreckende Wirkung haben müsse, also geeignet sein müsse, den Arbeitgeber künftig zu ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten. Den europa­recht­lichen Vorgaben würde die Verhängung von Bagatell­be­trägen nicht genügen. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die diskri­mi­nierende Anzeige zweimal erschienen sei und die Klägerin zunächst die Anwaltskanzlei habe gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen und sogar die Zwangs­voll­streckung einleiten müssen, bevor sie ihre Entschä­di­gungs­ansprüche gegenüber der Beklagten habe anmelden können. Andererseits seien außer der Überschrift „Geschäftsführer“ keine weiteren Diskri­mi­nie­rungen oder Beein­träch­ti­gungen der Klägerin erkennbar.

§ 1 AGG (Ziel des Gesetzes):

Ziel des Gesetzes ist, Benach­tei­li­gungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AGG (Anwen­dungs­bereich):

Benach­tei­li­gungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1. die Bedingungen, einschließlich Auswahl­kri­terien und Einstel­lungs­be­din­gungen für den Zugang zu unselbst­ständiger und selbstständiger Erwer­b­s­tä­tigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position…

§ 7 AGG (Benach­tei­li­gungs­verbot)

Abs. 1: Beschäftige dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden…

§ 15 AGG (Entschädigung und Schadensersatz):

Abs. 1: Bei einem Verstoß gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen....

Abs. 2: Wegen eines Schadens, der nicht Vermö­gens­schaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nicht­ein­stellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, …

§ 22 AGG (Beweislast):

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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