Dokument-Nr. 12293
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- DB 2011, 2256Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2011, Seite: 2256
- ZIP 2011, 1979Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2011, Seite: 1979
Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil13.09.2011
OLG Karlsruhe: Stellenanzeige "Geschäftsführer gesucht" führt zu geschlechtsbezogener BenachteiligungStellenausschreibung verstößt gegen Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
Eine Stellenausschreibung mit dem Inhalt "Geschäftsführer gesucht ..." ist nicht geschlechtsneutral gehalten und verstößt somit gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dies entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe und sprach einer abgelehnten Bewerberin eine Entschädigung von rund 13.000 Euro zu.
Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls ist ein mittelständisches Unternehmen. In ihrem Auftrag gab eine Rechtsanwaltskanzlei 2007 in den Badischen Neuesten Nachrichten nacheinander zwei Stellenanzeigen folgenden Inhalts auf:
„Geschäftsführer im Mandantenauftrag zum nächstmöglichen Eintrittstermin gesucht für mittelständisches … Unternehmen mit Sitz im Raum Karlsruhe. Fähigkeiten in Akquisition sowie Finanz- und Rechnungswesen sind erforderlich, Erfahrungen in Führungspositionen erwünscht. Frühere Tätigkeiten in der Branche nicht notwendig…“
Bewerbung blieb unberücksichtigt – Klägerin meldet Entschädigungsansprüche in Höhe von knapp 25.000 Euro an
Die auch als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war bereits 20 Jahre bei Versicherungsunternehmen tätig gewesen, zuletzt als Personalleiterin. Nachdem ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden war, meldete sie umgehend Entschädigungsansprüche in Höhe von knapp 25.000 Euro an und begehrte Auskunft über den Auftraggeber der Stellenanzeige. Den benannte die Rechtsanwaltskanzlei erst, nachdem sie vom Landgericht Karlsruhe im April 2008 dazu verurteilt worden war.
Landgericht weist Klage wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung zurück
Die danach erhobene Klage der Rechtsanwältin gegen das ausschreibende Unternehmen auf Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung im Bewerbungsverfahren wurde vom Landgericht Karlsruhe zurückgewiesen.
Ausschreibung nicht geschlechtsneutral formuliert
Die Berufung der Klägerin zum Oberlandesgericht Karlsruhe hatte teilweise Erfolg. Das Gericht sprach der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von ca. 13.000 Euro zu, wies die Klage im Übrigen jedoch ab. Das Gericht führte aus, dass die Stellenausschreibung gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 AGG) verstoße. Aufgrund dieses Verbotes dürfe nicht nach männlichen oder weiblichen Kandidaten gesucht werden. Geschlechtsneutral sei eine Ausschreibung nur formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richte. Dem sei jedenfalls dann Rechnung getragen, wenn die Berufsbezeichnung in männlicher und weiblicher Form verwendet oder ein geschlechtsneutraler Oberbegriff gewählt werde. Diesen Vorgaben genüge die Stellenausschreibung hier nicht, da der Begriff „Geschäftsführer“ eindeutig männlich sei und weder durch den Zusatz „/in“ noch durch die Ergänzung „m/w“ erweitert werde. Dieser männliche Begriff werde auch im weiteren Kontext der Anzeige nicht relativiert. Das AGG selbst spreche dagegen ausdrücklich von „Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen“.
Arbeitgeber trifft Pflicht, Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen
Dass die Stellenanzeige nicht von dem beklagten Unternehmen, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei formuliert worden sei, ändere nichts; bediene sich der Arbeitgeber nämlich zur Stellenausschreibung eines Dritten, so sei ihm dessen Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber treffe die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen.
Ausschreibendes Unternehmen muss nachweisen können, dass Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde
Diese nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen müsse, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei, dass also das Geschlecht der Klägerin bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe allerdings die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt. Die Tatsache, dass eine weibliche Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung allein nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akquisitionserfahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei nämlich nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akquisitionserfahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe.
Klägerin nicht eindeutig ungeeignet oder über- bzw. unterqualifiziert für ausgeschriebene Stelle
Eine Benachteiligung der Klägerin sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihre Bewerbung subjektiv nicht ernst gemeint, sondern ausschließlich auf Erlangung einer Entschädigung gerichtet gewesen wäre. Die Beklagte habe keine ausreichenden Indizien für eine missbräuchliche Bewerbung der Klägerin dargelegt. Die Klägerin sei vielmehr nur nebenberuflich als Rechtsanwältin zugelassen gewesen, sie habe sich beruflich verändern wollen und sei mittlerweile bei einem Unternehmen auch im Bereich Kundenbetreuung und Akquisition tätig. Es sei auch nicht erkennbar, dass sie für die ausgeschriebene Stelle völlig ungeeignet oder über- bzw. unterqualifiziert gewesen wäre.
Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes angemessen
Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, insoweit halte das Gericht eine Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes, hier ca. 13.000 Euro, für angemessen. Für die Höhe sei unter anderem ausschlaggebend, dass sie auch abschreckende Wirkung haben müsse, also geeignet sein müsse, den Arbeitgeber künftig zu ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten. Den europarechtlichen Vorgaben würde die Verhängung von Bagatellbeträgen nicht genügen. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die diskriminierende Anzeige zweimal erschienen sei und die Klägerin zunächst die Anwaltskanzlei habe gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen und sogar die Zwangsvollstreckung einleiten müssen, bevor sie ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten habe anmelden können. Andererseits seien außer der Überschrift „Geschäftsführer“ keine weiteren Diskriminierungen oder Beeinträchtigungen der Klägerin erkennbar.
§ 1 AGG (Ziel des Gesetzes):
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AGG (Anwendungsbereich):
Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:
1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position…
§ 7 AGG (Benachteiligungsverbot)
Abs. 1: Beschäftige dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden…
§ 15 AGG (Entschädigung und Schadensersatz):
Abs. 1: Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen....
Abs. 2: Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, …
§ 22 AGG (Beweislast):
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.09.2011
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online
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