23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil15.07.2008

Schaden­s­er­satz­haftung einer Bank gegenüber Darlehensnehmer wegen Wissens um Kontamination des finanzierten GrundstücksZur Aufklä­rungs­pflicht der Bank bei Wissens­vor­sprung

Wenn eine Bank bei der Vergabe eine Kredits für den Kauf eines Grundstücks davon Kenntnis hat, dass der Boden des Grundstücks verschmutzt ist, muss sie ihren Kunden hierüber aufklären. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden. Zwar müsse eine Bank, die keine Beratung vornehme den Darlehensnehmer über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierenden Geschäfts sowie über Gefahren und Risiken grundsätzlich nicht aufklären. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Eine Aufklä­rungs­pflicht der Bank kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs bei Kredit­ge­schäften ausnahmsweise gegeben sein, wenn diese für sie selbst erkennbar in Bezug auf spezielle Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissens­vor­sprung im Hinblick auf ein spezielles Risiko des zu finanzierenden Geschäftes hat.

Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz, weil sie bei Abschluss eines Kreditvertrages zur Finanzierung eines Grund­s­tückskaufs nicht über die ihr bekannte Kontamination des Grundstücks aufklärte.

Auf dem Grundstück wurde eine Färberei betrieben

Ca. 40 Jahre lang bis 1983 betrieben die früheren Eigentümer A. auf dem umstrittenen Grundstück eine Färberei und chemische Reinigung. Im April 1983 mietete die beklagte Bank auf dem Grundstück Räume und Stellplätze für ihre nahe gelegene Filiale, ließ die Räumlichkeiten renovieren und im Außenbereich Stellplätze herstellen. Zu einem zunächst beabsichtigten Kauf des Grundstücks durch die Bank kam es nicht.

Im Juli 1983 stellten sich bei Abwasserproben hohe Konzentrationen an Tetra­chlor­koh­len­was­serstoff heraus. Das Umweltschutzamt teilte den Eigentümern A. mit, dass das Erdreich unterhalb einer zum Grundstück gehörenden Grube kontaminiert sei, das Landratsamt gab ihnen auf, zunächst das Bodenmaterial in der Grube in einer Tiefe von ca. 50 cm unter der Grubensohle zu entfernen, als Sonderabfall zu entsorgen und die Grubensohle anschließend mit Beton zu verfüllen. Herr A. wurde darauf hingewiesen, dass er bei einem späteren Gebäudeabriss auch das Erdreich im weiteren Bereich der Grube entfernen und als Sonderabfall entsorgen müsse. Im Juli 1984 teilte Herr A. dem Umweltschutzamt mit, dass er die Auflagen erfüllt habe.

Im Januar 1985 kaufte die Mutter des Klägers von den Eheleuten A. das Grundstück. Den Kaufpreis von ca. 500.000 DM finanzierte sie über ein Darlehen bei der beklagten Bank. 2005 wurde das Grundstück auf ihren Sohn, den Kläger, übertragen.

Käufer soll als Zustandsstörer die Kosten für die Beseitigung der Verun­rei­ni­gungen tragen

Weitere Ermittlungen der zuständigen Ämter ab 1999 führten 2004 zu dem Ergebnis, dass starke Verun­rei­ni­gungen mit Halogen­koh­len­was­ser­stoffen in Boden und Grundwasser einen erheblichen Sanie­rungs­aufwand forderten, der von dem Kläger als Eigentümer und Zustandsstörer zu tragen sei.

Kläger verlangt von der Bank Schadenersatz - die Bank habe von den Verun­rei­ni­gungen Kenntnis gehabt

Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht seiner Eltern gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass sie ihm den Schaden zu ersetzen hat, der ihm aufgrund gesetzlicher Ansprüche von Behörden oder Dritten wegen den Verun­rei­ni­gungen im Boden und im Grundwasser durch leichtflüchtige Halogen­koh­len­was­ser­stoffe entsteht. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Vorstand der Beklagten, der auch den Kauf des Grundstücks an seine Mutter vermittelt und betreut habe, von der Altlas­ten­pro­blematik zum Zeitpunkt des Verkaufs Kenntnis gehabt habe. Sie selbst habe nur gewusst, dass auf dem Grundstück eine Färberei und Reinigung betrieben worden sei. Von dem ursprünglich geplanten Kauf des Grundstücks habe die Beklagte wegen der Kontamination Abstand genommen. Die Beklagte hat das bestritten. Das Landgericht Heidelberg hat nach einer umfangreichen Beweisaufnahme der Klage stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zum 17. Zivilsenat, dem Bankensenat des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe, blieb ohne Erfolg:

OLG: Bank hat bei einem "Wissens­vor­sprung" eine Aufklä­rungs­pflicht

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung eines Schaden­s­er­satz­an­spruchs wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht bei Abschluss eines Darle­hens­ver­trages zwischen der Mutter und der beklagten Bank. Zwar ist eine Bank, die keine Beratung vornimmt, grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierenden Geschäfts sowie über Gefahren und Risiken der Verwendung des Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Eine Aufklärungspflicht der Bank kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs bei Kredit­ge­schäften ausnahmsweise gegeben sein, wenn diese für sie selbst erkennbar in Bezug auf spezielle Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüber dem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprung im Hinblick auf ein spezielles Risiko des zu finanzierenden Geschäftes hat.

OLG: Bank wusste von kontaminiertem Boden

So liegt der Fall hier. Das Landgericht ist nach der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Vorstand der Beklagten vor Abschluss des Darle­hens­ver­trages mit der Mutter des Klägers Kenntnis von der Kontamination des Grundstückes hatte, während der Mutter des Klägers diese nicht bekannt war. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass bei der Renovierung durch die Bank offensichtlich verseuchtes Erdreich ausgehoben und entsorgt worden war. Die ausführende Baufirma hat den Vorstand von dem verunreinigten Erdreich in Kenntnis gesetzt. Nach einem Aktenvermerk der Stadtverwaltung gab es im Februar 1984 in Anwesenheit des Vorstandes der Beklagten eine Besprechung, in der auf die Verseuchung des Erdreichs und auf erhebliche Sanie­rungs­kosten hingewiesen wurde. Der Mutter des Klägers war nur bekannt, dass auf dem Anwesen eine Reinigung und Färberei betrieben worden war. Erst im Jahr 2002 hat das Wasser­wirt­schaftsamt die Eltern des Klägers über die Kontamination informiert.

Bei ordnungsgemäßer Aufklärung wäre der Kauf des Grundstücks nicht erfolg

Das Oberlan­des­gericht folgt der verfah­rens­fehler- und rechts­feh­lerfrei zustande gekommenen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Landgerichts. Das Wissen ihres Vorstandes muss sich die beklagte Bank zurechnen lassen. Dass die Bank zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darle­hens­ver­trages nicht die spätere Entwicklung der Altlas­ten­pro­blematik kannte, ändert nichts. Bereits die Tatsache, dass an einem Grundstück Sanie­rungs­a­r­beiten erforderlich wurden, um chemische Altlasten zu beseitigen, stellt einen erheblichen wertbildenden Faktor dar, da allein der damit verbundene Makel und die nicht auszu­schließende Gefahr weiterer bisher unbekannter Schäden für mögliche Käufer einen erheblichen Nachteil des Grundstücks darstellen können. Zumindest das ihr bekannte Wissen hätte die Beklagte offenlegen müssen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte die Mutter des Klägers das Grundstück nicht gekauft.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 18.07.2008

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