Dokument-Nr. 13834
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- NJW 2010, 2961Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2010, Seite: 2961
- NZM 2011, 696Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2011, Seite: 696
- Amtsgericht Emmendingen, Beschluss24.01.2010, 13 UR II 16/10
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss25.03.2010
Polizei darf bei massiver Ruhestörung eine Wohnung durchsuchen und Lärm verursachende Geräte beschlagnahmenDurchsuchung zum Schutz gegen eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist gerechtfertigt
Eine Sache darf beschlagnahmt werden, wenn dies zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Eine Beschlagnahmung muss jedoch erforderlich sein und andere, weniger einschneidende Mittel dürfen nicht zur Verfügung stehen. Dies geht aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe hervor.
Die Bewohner der an die Wohnung eines Ruhestörers angrenzenden Nachbarwohnungen hatten die Polizei gerufen, nachdem sie von einem dauerhaften Geräusch gestört wurden. Die Beamten fanden heraus, dass der Brummton von einer elektrischen Laubsäge stammte. Der Mann verweigerte jedoch das Abstellen des Gerätes und erteilte den Polizeibeamten Hausverbot. Als das Geräusch auch am folgenden Tag noch zu hören war, beantragte die Polizeidirektion beim Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Beschlagnahme des Gerätes.
Der Brummton des betriebenen Geräts macht den Aufenthalt in der Nachbarwohnung schwierig oder unmöglich
Mit Beschluss ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohnung unter Hinweis auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG BW an. Zur Begründung hieß es, dass das betriebene Gerät auch während der Abwesenheit des Bewohners der streitgegenständlichen Wohnung einen sehr lauten, sehr störenden Ton verursache. Dieser mache den Aufenthalt in der Nachbarwohnung schwierig oder unmöglich. Es bestehe die Gefahr, dass das Gerät nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft betrieben und die Gesundheit der Nachbarn erheblich gefährdet würde. Eine andere geeignete Maßnahme als die Durchsuchung sei nicht ersichtlich, da sich der Mann geweigert habe, das Gerät abzustellen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte, dass die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung rechtens gewesen sei.
Durchsuchung durch Polizei ist gerechtfertigt, wenn sich eine zu beschlagnahmende Sache in der Wohnung befindet
Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung seien gegeben gewesen. Eine Durchsuchung durch die Polizei sei gerechtfertigt, wenn sich eine Sache in der Wohnung befinde, die beschlagnahmt werden dürfe. Eine Sache dürfe beschlagnahmt werden, wenn dies erforderlich sei zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse unter anderem die Verletzlichkeit des Lebens und der Gesundheit. Der Mann habe in einem unzulässigen und vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet gewesen sei, die Nachbarschaft erheblich zu belästigen und die Gesundheit anderer zu schädigen. Der von dem Gerät ausgehende sehr laute und sehr störende Brummton sei jedenfalls bei anhaltender Dauer geeignet gewesen, über eine bloße Belästigung hinaus das körperliche Wohlbefinden der Nachbarn erheblich zu beeinträchtigen und zu schwerwiegender nervlicher Daueranspannung und Erschöpfung zu führen.
Durchsuchung muss erforderlich sein und andere Mittel dürften nicht zur Verfügung stehen
Allerdings greife eine Wohnungsdurchsuchung schwerwiegend in die nach Art. 13 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Lebenssphäre ein. Das Gewicht des Eingriffs verlange deshalb Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen würden und eine Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung müsse in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen und erfolgversprechend sein (BVerfG Beschluß vom 13.11.2005 - 2 BvR 728/05). Sie müsse auch erforderlich sein und andere, weniger einschneidende Mittel dürften nicht zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Beteiligte das Gerät rechtswidrig (§ 117 Abs. 1 OWiG) bereits seit Tagen über längere Zeiträume selbst bei Abwesenheitszeiten habe laufen lassen und er es in dieser Weise weiter betreiben würde. Die Anordnung der Durchsuchung zum Zwecke der Beschlagnahme des Gerätes sei damit erforderlich gewesen, um weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit zu verhindern. Ein milderes Mittel sei nicht gegeben gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.08.2012
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe (vt/st)
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