21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss06.12.2012

Keine Leistungen aus einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung bei Aufnahme eines neuen mit der alten Tätigkeit vergleichbaren BerufsVergleich­barkeit von Berufen bestimmt sich nach Qualifikation, sozialer Wertschätzung und Lohn

Leistungen aus einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung können ausgeschlossen sein, wenn der Versicherte einen neuen mit der alten Tätigkeit vergleichbaren Beruf aufnimmt. Die Vergleich­barkeit des bisherigen Berufes mit der neuen Tätigkeit bestimmt sich dabei nicht nur nach dem gezahlten Lohn, sondern auch nach Qualifikation und sozialer Wertschätzung. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein selbständiger Gas- und Wasser­in­sta­l­lateur-Meister schloss im Jahr 1997 eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Gemäß § 2 Abs. 2 der Versi­che­rungs­be­din­gungen war eine Leistungs­pflicht dann ausgeschlossen, wenn der Versicherte eine zum alten Beruf vergleichbare Tätigkeit aufnehmen sollte. Also wenn die neue Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung entspricht. Im Jahr 1998 erkrankte er erstmals an einer Depression. Aufgrund der häufigen schweren depressiven Episoden musste der Kläger seinen Betrieb im Jahr 2001 auflösen. Er machte infolgedessen Ansprüche aus der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung geltend. Die Versicherung erkannte die Berufsunfähigkeit an und zahlte. Nachdem sich der Versicherte zu einem medizinisch-technischen Laboras­sis­tenten (MTLA) umschulte, nahm er im Jahr 2008 eine Tätigkeit als medizinisch-technischer-Laboratoriums-Assistent in einer Univer­si­täts­klinik an. Daraufhin stellte die Versicherung ihre Zahlungen ein. Sie war der Meinung, die Tätigkeit als MTLA entspreche seiner bisherigen Lebensstellung und sei somit mit seiner vorherigen Tätigkeit als Handwerks­meister vergleichbar. Der Versicherte war anderer Ansicht und klagte auf Zahlung. Das Landgericht Heidelberg wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Berufung der Versicherung.

Kläger standen Leistungen aus der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­cherung zu

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschied zu Gunsten des Versicherten. Die Versicherung habe die Zahlungen nicht einstellen dürfen. Ein Verweis auf die neue Tätigkeit sei nicht zulässig gewesen. Ein solcher Verweis sei nur dann gemäß § 2 Abs. 2 der Versi­che­rungs­be­din­gungen in Betracht gekommen, wenn die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entsprach. Dies sei dann der Fall, wenn die neue Tätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordere und auch in ihrer Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufes liege. Um dies festzustellen müsse eine Gesamt­be­trachtung erfolgen, bei der die Qualifikation der bisherigen Tätigkeit und die der Vergleich­s­tä­tigkeit verglichen werden.

Neue Tätigkeit als MTLA war nicht vergleichbar mit der Tätigkeit als Handwerks­meister

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts habe die bisherige Tätigkeit als Handwerks­meister hinsichtlich der Qualifikation und Wertschätzung über dem Niveau der jetzigen Tätigkeit gelegen. Dem gegenüber seien der Lohn und die Freizeit in dem Beruf als MTLA höher ausgefallen. Dennoch sei eine Vergleichbarkeit zwischen den Berufen nicht gegeben gewesen. Das Mehr an Qualifikation und gesell­schaft­licher Wertschätzung in der früheren selbständigen Tätigkeit sei durch die kürzere Arbeitszeit, das höhere Einkommen und sie sozia­l­ver­si­che­rungs­rechtliche Absicherung in dem neuen Job nicht ausgeglichen worden. Denn Qualifikation und Wertschätzung seien keine Faktoren, die allein durch Geld und Freizeit ausgeglichen werden können.

Verlust der Selbst­stän­digkeit beseitigt für sich genommen nicht die Vergleich­barkeit

Die Vergleich­barkeit werde nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts auch nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil der Versicherte seine frühere Selbst­stän­digkeit aufgeben musste. Auch einem früheren Selbstständigen sei eine Aufnahme einer Tätigkeit in einer sozial abhängigen Stellung nicht unzumutbar. Dennoch könne eine Vergleich­barkeit dann ausscheiden, wenn die frühere selbständige Tätigkeit ein quali­fi­zierteres oder selbständigeres Arbeiten ermöglichte. Zudem dürfe die Wertschätzung der neuen Tätigkeit nicht spürbar unter der bisherigen Tätigkeit liegen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)

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