23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil13.10.2017

Koste­n­er­stattung für künstliche Befruchtungen darf von privater Kranken­ver­si­cherung nicht auf verheiratete Paare beschränken werdenUnterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch erfolgt willkürlich und führt dadurch zur Unwirksamkeit der Vertrags­be­stimmung

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat entschieden, dass private Kranken­versicherungen die Koste­n­er­stattung für eine künstliche Befruchtung nicht auf verheiratete Paare beschränken dürfen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist bei der Beklagten privat kranken­ver­sichert. Sie fordert die Erstattung von Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung. Die Klägerin kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden, sie leidet jedoch an einer chromosomalen Veränderung aufgrund derer die Wahrschein­lichkeit für eine intakte Schwangerschaft bzw. für ein gesundes Kind bei unter 50 Prozent liegt.

Versi­che­rungs­be­din­gungen beschränken Übernahme von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung auf verheiratete Personen

Die Beklagte übernimmt laut ihren Versi­che­rungs­be­din­gungen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behand­lungs­versuche bei hinreichender Erfolgsaussicht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versi­che­rungs­be­din­gungen nur, wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Die Klägerin ließ vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behand­lungs­maß­nahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen durchführen. Der voreheliche Behand­lungs­versuch verursachte Kosten in Höhe von 11.771 Euro und war erfolglos. Die Versicherung hält die Beschränkung auf Verheiratete unter Hinweis auf eine ähnliche Bestimmung für gesetzlich Versicherte für wirksam. Der Versicherer macht außerdem geltend, dass die Klägerin grundsätzlich auf natürlichem Wege schwanger werden kann und damit nicht organisch steril ist.

Die Klägerin verlangt die Kosten der vorehelichen Behandlung und will festgestellt wissen, dass die private Kranken­ver­si­cherung verpflichtet ist, weitere Behand­lungs­versuche zu erstatten.

Klausel zur Beschränkung der Maßnahmen auf verheiratete Personen unwirksam

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden, dass die Beschränkung der Koste­n­er­stattung auf verheiratete Versicherte in allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen unwirksam ist. Anders als der Gesetzgeber, der bei der Gestaltung der Leistungs­pflichten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung andere - etwa gesell­schafts­po­li­tische - Erwägungen anstellen kann, verfolgt der private Kranken­ver­si­cherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Vor diesem Hintergrund ist die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch aber willkürlich und die Vertrags­be­stimmung damit unwirksam. Die Beschränkung des Anspruchs auf insgesamt drei Versuche ist hingegen wirksam. Die Klägerin hat auch Anspruch auf die Erstattung der in ihrem Fall gesetzlich zulässigen Behand­lungs­maß­nahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen der Eizellen bzw. des Embryos. Die bei der Klägerin vorhandene genetische Veränderung beeinträchtigt, auch wenn die Klägerin auf natürlichem Wege schwanger werden kann, aufgrund des hohen Risikos eines Scheiterns der Schwangerschaft bei genetischer Schädigung der Eizelle ihre Fortpflan­zungs­fä­higkeit und stellt damit eine Krankheit der Klägerin dar.

Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen

Da sowohl die Frage, ob eine Begrenzung der Leistung für künstliche Befruchtung auf Verheiratete als auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen private Kranken­ver­si­cherer Maßnahmen der Vorim­plan­ta­ti­o­ns­dia­gnostik erstatten müssen, bislang nicht höchst­rich­terlich geklärt sind, hat das Oberlan­des­gericht für die beklagte Versicherung die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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