18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss09.02.2016

Pedelec-Fahrer haftet nach verkehrs­wi­driger Überquerung der Straße allein für UnfallUnvermittelt eingeleitete Schrägfahrt zum Abbiegen begründet erhebliches Eigen­ver­schulden an Unfall

Verursacht ein 80-jähriger Pedelec-Fahrer einen Zusammenstoß mit einem Pkw, weil er mit seinem Pedelec verkehrswidrig von einem Geh- und Radweg schräg auf die Fahrbahn fährt, um nach links abzubiegen, kann er für den Verkehrsunfall allein haften. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Essen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde Der seinerzeit 80-jährige Kläger aus Haltern befuhr im Mai 2014 eine Straße in Fahrrichtung Recklinghausen. Er benutzte den rechts von der Fahrbahn durch eine durchgehende Linie abgetrennten Geh- und Radweg. An der Kreuzung mit einer von rechts einmündenden Straße beabsichtigte er nach links abzubiegen, um die sich einer Häuserzufahrt anschließende Zuwegung zu erreichen. Zu diesem Zweck fuhr er über die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Auf der Fahrbahn kam es zum Zusammenstoß mit dem Pkw Nissan Micra der erstbeklagten Fahrerin aus Haltern. Der Nissan berührte mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers das Hinterrad des Pedelec und brachte dieses zu Fall. Der Kläger stürzte und erlitt Prellungen sowie Frakturen im Bereich seines Beckens. Von der Erstbeklagten und der zweitbeklagten Haftpflicht­ver­si­cherung begehrte der Radfahrer 20.000 Euro Schmerzensgeld und ca. 500 Euro materiellen Schadensersatz, u.a. für das beschädigte Pedelec.

Im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße von Pedelec-Fahrer verletzt

Die Schaden­s­er­satzklage blieb vor dem Oberlan­des­gericht Hamm jedoch erfolglos. Den Kläger treffe nach Auffassung des Gerichts ein erhebliches Eigen­ver­schulden an dem Zustandekommen des Unfalls, welches eine Haftung der Beklagten - auch unter dem Gesichtspunkt der von dem Pkw ausgehenden Betriebsgefahr - ausschließe. Der Kläger habe die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Er habe versucht, ohne die gebotene Rückschau gleichsam blindlinks von dem rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der Straße hinweg in die gegen­über­liegende Zufahrt einzubiegen. Um sich verkehrsgerecht zu verhalten, hätte der Kläger bis zum Einmün­dungs­bereich der kommenden Straße fahren müssen. Dort hätte er die von ihm befahrene Straße im rechten Winkel überqueren müssen, sein Pedelec schiebend oder wie ein aus der einmündenden Straße kommender Verkehrs­teil­nehmer fahrend. Bei dem ausgeführten Fahrmanöver habe der Kläger seine Absicht abzubiegen weder rechtzeitig angekündigt noch auf den hinter seinem Rücken herannahenden Verkehr geachtet. Die vom Kläger unvermittelt eingeleitete Schrägfahrt habe dazu geführt, dass das Pedelec auf der Straße in Sekun­den­bruch­teilen ein breites, gefährliches Hindernis gebildet habe.

Gegenüber diesem groben Fehlverhalten des Klägers trete die Betriebsgefahr des Beklag­ten­fahrzeugs - ein Verschulden der Erstbeklagten am Zusammenstoß sei nicht bewiesen - zurück.

Autofahrerin muss aufgrund des höheren Alters des Klägers nicht mit plötzlich verkehrs­wi­drigem Verhalten des Radfahrers rechnen

Im vorliegenden Fall könne der Erstbeklagten nicht vorgeworfen werden, sich nicht auf das erkennbar höhere Alter des Klägers eingestellt zu haben. Zwar habe sich ein Fahrzeugführer durch eine Verminderung der Fahrge­schwin­digkeit und durch Brems­be­reit­schaft so zu verhalten, dass einer Gefährdung von Kindern, Hilfs­be­dürftigen und älteren Menschen ausgeschlossen sei. Dabei erfordere allerdings nicht jeder im Blickfeld eines Kraftfahrers erscheinende Verkehrs­teil­nehmer aus diesem Personenkreis ein sofortiges Herabsetzen der eigenen Geschwindigkeit. Eine solche Reaktion sei erst dann geboten, wenn das Verhalten der Person oder die Situation, in der sie sich befinde, Auffälligkeiten zeige, die zu einer Gefährdung führen könnten. Hiervon habe die Erstbeklagte vor dem Unfall nicht ausgehen müssen. Bei ihrer Annäherung an den auf einem abgeteilten und ausreichend breiten Radweg fahrenden Kläger habe sie nicht allein aufgrund des höheren Alters des Klägers damit rechnen müssen, dass der Kläger die konkrete Verkehrs­si­tuation nicht gefahrlos habe beherrschen können.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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