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- Landgericht Bielefeld, Urteil11.04.2017, 2 O 196/16
- Wendemanöver über Straßenbahnschienen bei herannahender Straßenbahn und Gegenverkehr verstößt gegen die StraßenverkehrsordnungOberlandesgericht Brandenburg, Urteil26.02.2009, 12 U 145/08
- Kein Anscheinsbeweis gegen Linksabbieger bei Kollision mit entgegenkommendem Rechtsabbieger an ampelgeregelter KreuzungKammergericht Berlin, Urteil31.01.2019, 22 U 211/16
Oberlandesgericht Hamm Urteil13.04.2018
Linksabbiegen mit Schienenverkehr: Vorrang für Straßenbahnen gilt auch bei Grünphase für AutofahrerAutofahrer muss beim Abbiegen oder Wendemanöver Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen können
Straßenbahnen haben auch dann Vorrang, wenn die Ampel einer über die Schienen führenden Fahrspur für Kraftfahrzeuge grün ist. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der seinerzeit 79 Jahre alte Kläger aus Bielefeld befuhr im November 2015 mit seinem Pkw BMW die Artur-Ladebeck-Straße in Bielefeld in Fahrtrichtung Innenstadt. Der Kläger beabsichtigte mittels eines sogenannten U-Turns zu wenden. Hierzu musste er einer Linksabbiegerspur folgend die für beide Fahrtrichtungen in der Straßenmitte befindlichen Straßenbahngleise überfahren. Der Kläger fuhr bei Grünlicht der für ihn geltenden Ampelanlage in den Gleisbereich ein. Als er sich mit seinem Fahrzeug auf den Gleisen befand, erfasste die aus gleicher Richtung kommende Straßenbahn der beklagten Verkehrsbetriebe den BMW. Kurz zuvor hatte eine weitere Straßenbahn aus der Gegenrichtung die Unfallstelle passiert. Durch den Unfall wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt, der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen.
Kläger verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld
Von den beklagten Verkehrsbetrieben und dem ebenfalls beklagten Straßenbahnfahrer verlangte der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz, unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 Euro. Dabei behauptete er, vor der Kollision mehrere Sekunden auf den Gleisen gestanden zu haben. Sofern der Straßenbahnfahrer rechtzeitig gebremst hätte, wäre der Unfall laut Kläger vermieden worden. Die Beklagten wandten demgegenüber ein, dass allein der Kläger für den Unfall verantwortlich sei, weil er ohne die Vorfahrt der Straßenbahn zu beachten, auf die Schienen gefahren sei und vor dem Zusammenstoß dort nicht bereits einige Zeit gestanden habe.
OLG: Kläger ist für Unfallfolgen zu 100 % selbst verantwortlich
Die Schadensersatzklage des Klägers blieb erfolglos. In Ergänzung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme holte das Oberlandesgericht Hamm ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang ein und bestätigte im Anschluss die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts. Für die Unfallfolgen sei der Kläger zu 100 % selbst verantwortlich, so das Oberlandesgericht. Ein Verschulden der Verkehrsbetriebe oder des Straßenbahnfahrers liege nicht vor.
Straßenverkehrsordnung sieht Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn vor
Auf eine Änderung der Ampelphasenschaltung hätten die Verkehrsbetriebe nicht hinwirken müssen. Die zum Zeitpunkt des Unfalls vorhandene Ampelphasenschaltung - mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn - sei rechtlich zulässig. Bei einer derartigen Ampelphasenschaltung greife die in der Straßenverkehrsordnung gesetzlich geregelte Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte. Zwar sei es zwecks Vermeidung von Unfällen sicherer, wenn - wie nach der Änderung der Schaltung an der Unfallstelle im Sommer 2016 - durch eine Ampelschaltung ein gleichzeitiges Befahren des Bahnübergangs durch Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen sei. Auf eine solche Lösung habe aber kein Verkehrsteilnehmer Anspruch.
Anhalten der Bahn wäre nicht mehr möglich gewesen
Verkehrsverstöße des beklagten Straßenbahnfahrers seien ebenfalls nicht feststellbar. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger sein Fahrzeug aus einer Warteposition neben den Gleisen erst zu einem Zeitpunkt auf das Gleisbett gelenkt habe, zu dem sich die von dem Straßenbahnfahrer geführte Straßenbahn schon so weit angenähert hatte, dass ein Anhalten der Bahn nicht mehr möglich gewesen sei. Der Vortrag des Klägers, sein Pkw habe zum Zeitpunkt der Kollision bereits auf den Schienen gestanden und sei nicht mehr in Bewegung gewesen, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Nach dieser sei weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Straßenbahnfahrers noch eine verspätete Reaktion des Fahrers auf die Fahrweise des Klägers bewiesen.
Alleinverantwortung für Unfall liegt bei Pkw-Fahrer
Vielmehr sei der Kläger für den Unfall allein verantwortlich. Er habe seinen Pkw wenden wollen. Dabei habe er sich so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Um diesen Sorgfaltsanforderungen zu genügen, hätte er - ungeachtet des Grünlichts der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage - die in seine Fahrtrichtung fahrende Stadtbahn passieren lassen müssen und erst dann auf die Schienen fahren dürfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.06.2018
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
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