Dokument-Nr. 21777
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- Amtsgericht Gelsenkirchen, Urteil22.05.2014
- Landgericht Essen, Urteil29.01.2015, 28 Ns 120/14
Oberlandesgericht Hamm Beschluss07.05.2015
Strafbare Beleidigung aufgrund Hinweises auf "verdorbene charakterliche Natur" des Vermieters im Rahmen eines MietrechtsstreitesGrenzen der sachlichen Auseinandersetzung überschritten
Bezeichnet der Mieter einer Wohnung und zugleich Anwalt in eigener Sache im Rahmen eines Mietrechtstreites vor Gericht seinen Vermieter als charakterlich verdorben, so begeht er eine strafbare Beleidigung gemäß § 185 StGB. Zwar sind im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vor Gericht scharfe Worte zulässig, dabei dürfen jedoch nicht die Grenzen der sachlichen Auseinandersetzung überschritten werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Mieter einer Wohnung - ein Rechtsanwalt - war in eigener Sache im Rahmen eines Mietprozesses gegen Ende des Jahres 2013 gegen seinen Vermieter tätig. Im Rahmen des Prozesses schrieb der Rechtsanwalt in einem an das Gericht gerichteten Schriftsatz, dass sowohl der Vermieter als auch sein Anwalt eine verdorbene charakterliche Natur aufweisen. Aufgrund der Äußerung stellte der Vermieter einen Strafantrag wegen Beleidigung.
Amtsgericht und Landgericht bejahten Strafbarkeit wegen Beleidigung
Sowohl das Amtsgericht Gelsenkirchen als auch das Landgericht Essen sahen in der Äußerung des Rechtsanwalts eine strafbare Beleidigung gemäß § 185 StGB. Er wurde daher vom Landgericht zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 Euro und somit zur Zahlung von insgesamt 1.000 Euro verurteilt. Dagegen richtete sich die Revision des Rechtsanwalts. Er meinte, er habe niemanden beleidigen wollen. Die Bezeichnung "verdorben" sei als synonym für "unanständig" anzusehen. Zudem dürfe beim "Kampf um das Recht" auch scharfe Wörter benutzt werden.
Oberlandesgericht sah in Bezeichnung "verdorben" persönliche Kränkung und Schmähung
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Rechtsanwalts zurück. Die Äußerung des Rechtsanwalts sei als strafbare Beleidigung einzustufen gewesen. Es habe sich um eine ehrverletzende Äußerung gehandelt, die auf eine persönliche Kränkung und Schmähung des Vermieters und seines Rechtsanwalts gerichtet gewesen sei. Die Grenze des Hinzunehmenden sei überschritten worden.
Keine Relativierung der Beleidigung durch Synonym "unanständig"
Die Beleidigung sei nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht dadurch relativiert worden, weil die Bezeichnung "verdorben" als Synonym für "unanständig" gebraucht werde. Denn zum einen sei auch diese Bezeichnung geeignet, den Charakter und damit die Persönlichkeit der Betroffenen zu diffamieren. Zum anderen werden üblicherweise als Synonym zu "verdorben" die Wörter "unmoralisch", "sittenlos" oder "schamlos" verwendet. Durch alle Bezeichnungen werde der Betroffene persönlich gekränkt und seine Person besonders abgewertet.
"Kampf um das Recht" rechtfertigt keine Überschreitung der Grenzen der sachlichen Auseinandersetzung
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts seien zwar im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vor Gericht scharfe Wörter zulässig. Im "Kampf ums das Recht" müssen starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte hingenommen werden. Es sei daher zulässig, wenn ein Rechtsanwalt in einem Schriftsatz auf Basis sachlicher Kritik ehrenrührige Schlussfolgerungen ziehe. Damit einher dürfe aber keine zusätzliche Abwertung des Betroffenen gehen. Dies sei hier hingegen der Fall gewesen. Die Grenzen der sachlichen Auseinandersetzung seien überschritten worden. Die Äußerung des Rechtsanwalts habe keinen Sachzusammenhang zu miet- oder vollstreckungsrechtlichen Fragen erkennen lassen. Er habe damit seine eigene Rechtsposition nicht argumentativ untermauert.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.10.2015
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)
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