21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss18.10.2016

Arbeitnehmer­entsende­gesetz: Landwirt ist nicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten seines Arbeitnehmers verpflichtetOLG Hamm klärt Aufzeichnungs­pflichten für Landwirtschaft

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass ein Landwirt nach dem Arbeitnehmer­entsende­gesetz (AEntG) nicht verpflichtet ist, die Arbeitszeiten seines Arbeitnehmers aufzuzeichnen. Unterlässt er die Aufzeichnungen, verhält er sich nicht ordnungswidrig.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der heute 31 Jahre alte Betroffene aus Extertal ist Inhaber eines landwirt­schaft­lichen Betriebes. In diesem beschäftigt er einen heute 43 Jahre alten Arbeitnehmer. Dessen Arbeitsvertrag legt die Arbeitszeit und das monatliche Bruttogehalt fest. Der Arbeitsvertrag unterfällt einem durch Rechts­ver­ordnung für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, der Mindestentgelte für Arbeitnehmer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau regelt.

Bußgeldbehörde erlässt Bußgeldbescheid wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen Arbeit­neh­me­rent­sen­de­gesetz

Aufgrund einer Selbstanzeige des Betroffenen erließ das Hauptzollamt Bielefeld als Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arbeit­neh­me­rent­sen­de­gesetz im Februar 2015 einen Bußgeldbescheid und verhängte ein Bußgeld von 1.000 Euro. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, als Inhaber eines landwirt­schaft­lichen Betriebes ab dem 1. Januar 2015 keine Aufzeichnungen über Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers geführt zu haben. Dabei vertrat die Bußgeldbehörde die Auffassung, dass der Betrieb des Betroffenen dem Geltungsbereich des AEntG unterliege und den Betroffenen zu den in Frage stehenden Aufzeichnungen verpflichte.

Auf den Einspruch des Betroffenen sprach das Amtsgericht Bielefeld den Betroffenen von dem erhobenen Vorwurf frei. Die gegen die erstin­sta­nzliche Entscheidung von der Staats­an­walt­schaft Bielefeld erhobene Rechts­be­schwerde blieb nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm erfolglos.

OLG verneint ordnungs­widriges Verhalten

Der Betroffene habe sich nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts nicht ordnungswidrig verhalten, weil er die Arbeitszeiten seines Arbeitsnehmers seit dem 1. Januar 2015 nicht aufgezeichnet habe. Die in Betracht kommende Bußgeld­vor­schrift des § 23 Abs. 1 Nr. 8 AEntG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AEntG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. § 19 Abs. 1 Satz 1 AEntG regele die Pflicht des Arbeitgebers Aufzeichnungen über die tägliche Arbeitszeit zu erstellen und bereitzuhalten. Nach Satz 2 der Norm sei dem Arbeitgeber ein Entleiher von Arbeitskräften gleichgestellt.

Arbeit­neh­me­rent­sen­de­gesetz begründet dem Wortlaut nach keine Aufzeich­nungs­pflicht für Betrieb des Betroffenen

Die Aufzeich­nungs­pflicht des § 19 Abs. 1 AEntG bestehe, soweit auf das Arbeits­ver­hältnis Rechtsnormen eines für allge­mein­ver­bindlich erklärten Tarifvertrages oder einer entsprechenden Rechts­ver­ordnung über die Zahlung von Mindestentgelt, die Einziehung von Sozia­l­kas­sen­bei­trägen oder über Urlaubs­ansprüche anzuwenden seien. Das sei vorliegend zwar der Fall. Allerdings sei der Anwen­dungs­bereich des § 19 Abs. 1 AEntG beschränkt. Die Regelung gelte nur für die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 AEntG ausdrücklich bezeichneten Branchen des Bauhaupt- und des Bauneben­ge­werbes. Den Bereich der Landwirtschaft führe das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht auf, so dass es nach seinem Wortlaut keine Aufzeich­nungs­pflicht für den Betrieb des Betroffenen begründe.

Auch Mindestlohn-, Arbeit­neh­mer­über­lassungs- oder Arbeits­zeit­gesetz verpflichten Betroffenen nicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten

Eine analoge Anwendung der Bußgeld­vor­schrift des AEntG auf die vom Geset­zes­wortlaut nicht erfasste Landwirt­schafts­branche komme nicht in Betracht. Eine Analogie, d. h. die Anwendung einer Bußgeld­vor­schrift über ihren Inhalt hinaus auf einen von der Vorschrift nicht erfassten, nur ähnlichen Lebens­sach­verhalt sei zu Ungunsten eines Betroffenen nicht zulässig. Ein dem Betroffenen anzulastender ordnungs­widriger Verstoß ergebe sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem Mindest­lohn­gesetz, dem Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­gesetz oder dem Arbeits­zeit­gesetz. Keines dieser Gesetze verpflichte den Betroffenen zu der in Frage stehenden Aufzeichnung und Dokumentation der werktäglichen, regulären Arbeitszeiten eines Arbeitnehmers in einer Festanstellung.

Die genannten Vorschriften des Arbeit­neh­me­rent­sen­de­ge­setzes (A EntG) lauten wie folgt:

§ 23 Bußgeld­vor­schriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig [...]

8. entgegen § 19 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt oder [...]

§ 19 Erstellen und Bereithalten von Dokumenten

(1) 1 Soweit die Rechtsnormen eines für allge­mein­ver­bindlich erklärten Tarifvertrages nach § 4 Absatz 1 Nummer 1, § 5 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und § 6 Absatz 2 oder einer entsprechenden Rechts­ver­ordnung nach § 7 oder § 7 a über die Zahlung eines Mindestentgelts oder die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen im Zusammenhang mit Urlaubs­ansprüchen auf das Arbeits­ver­hältnis Anwendung finden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer und Arbeit­neh­me­rinnen spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. 2 Satz 1 gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin oder mehrere Arbeitnehmer oder Arbeit­neh­me­rinnen zur Arbeitsleistung überlässt. [...]

§ 4 Branchen

(1) § 3 gilt für Tarifverträge

1. des Bauhaupt­ge­werbes oder des Bauneben­ge­werbes im Sin-ne der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I S. 2033), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 26. April 2006 (BGBl. I S. 1085), in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der Erbringung von Monta­ge­leis­tungen auf Baustellen außerhalb des Betriebssitzes, [...]

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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