In dem Rechtsstreit 4 AZR 168/10 war dem Kläger die Verkehrsmittelzulage nicht gezahlt worden. Den danach verbleibenden Vergütungsdifferenzanspruch des Klägers hat die Beklagte nach der vorläufigen Einschätzung des Senats auf der Grundlage des nationalen (Tarifrechts-) Verständnisses zumindest nicht vollständig erfüllt. Jedenfalls die von der Beklagten erbrachten nach den Gebäudereinigertarifverträgen nicht vorgesehenen vermögenswirksamen Leistungen sind hiernach nicht als Erfüllung des Mindestlohns anzusehen. Sie sind nicht mit dem Grundstundenlohn der Gebäudereiniger-Lohntarifverträge funktional gleichwertig, sondern erfüllen unabhängig von der Art und Entlohnung der zu leistenden Arbeit die Funktion einer Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und stehen überdies dem Arbeitnehmer nicht zusammen mit dem laufenden Entgelt zur Verfügung. Diese Auslegung des Senats beruht allein auf der Grundlage eines innerstaatlichen Sachverhalts ohne grenzüberschreitenden Bezug. Die hier einschlägigen Rechtsgrundlagen, insbesondere § 1 Abs. 3a AEntG 2007 (jetzt § 7 AEntG 2009) müssen nach Einschätzung des Senats jedoch bei innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Sachverhalten in gleicher Weise ausgelegt werden. Da für einen grenzüberschreitenden Sachverhalt die Rechtsprechung des EuGH letztverbindlich ist, hat der Senat dem Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens zwei Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt und den Rechtsstreit ausgesetzt:
Erläuterungen
1. Ist der Begriff ‚Mindestlohnsätze’ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 96/71/EG dahin auszulegen, dass er die Gegenleistung des Arbeitgebers für diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers bezeichnet, die nach der in Art. 3 Abs. 1 Eingangssatz der Richtlinie genannten Rechts- oder Verwaltungsvorschrift oder dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag allein und vollständig mit dem tariflichen Mindestlohn abgegolten werden soll („Normalleistung“), und deshalb nur Arbeitgeberleistungen auf die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnsatzes angerechnet werden können, die diese Normalleistung entgelten und spätestens zu dem Fälligkeitstermin für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehen müssen?
2. Ist der Begriff ‚Mindestlohnsätze’ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 96/71/EG dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen Leistungen eines Arbeitgebers nicht als Bestandteil des Mindestlohns anzusehen und damit nicht auf die Erfüllung des Mindestlohnanspruchs anzurechnen sind, wenn der Arbeitgeber diese Leistungen aufgrund einer tarifvertraglichen Verpflichtung erbringt, die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien und des nationalen Gesetzgebers dazu bestimmt sind, der Bildung von Vermögen in Arbeitnehmerhand zu dienen, und zu diesem Zweck die monatlichen Leistungen vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer langfristig angelegt werden, zum Beispiel als Sparbeitrag, als Beitrag zum Bau oder Erwerb eines Wohngebäudes oder als Beitrag zu einer Kapitallebensversicherung, und mit staatlichen Zuschüssen und Steuervergünstigungen gefördert werden, und der Arbeitnehmer erst nach einer mehrjährigen Frist über diese Beiträge verfügen kann, und die Höhe der Beiträge als monatlicher Festbetrag allein von der vereinbarten Arbeitszeit, nicht jedoch von der Arbeitsvergütung abhängt („vermögenswirksame Leistungen“)?