21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil08.11.2013

Missachtung von Hygie­ne­vor­schriften: Patient hat bei Infektion mit multi­re­sis­tenten Staphylokokken Anspruch auf SchadensersatzAbstöpseln einer Infusion ohne vorherige Desinfektions­maßnahmen stellt groben Behand­lungs­fehler dar

Ein Patient, der sich im Krankenhaus mit MRSA-Keimen (multi­re­sis­tenten Staphylokokken) infiziert, weil ein Kranken­pflege­schüler beim Entfernen einer Infusionskanüle die Hygie­ne­vor­schriften verletzt, hat Anspruch auf Schmerzensgeld. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm.

Der heute 58jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Elektriker aus Brilon, befand sich im März 2008 in stationärer Behandlung im beklagten Krankenhaus in Brilon. Zur Behandlung eines Tinnitus erhielt er Infusionen über eine an seinem linken Arm gelegte Venen­ver­weil­kanüle. Nachdem ein Kranken­pfle­ge­schüler diese gezogen hatte, erlitt der Kläger eine MRSA-Infektion, die er auf nicht eingehaltene Hygienevorschriften beim Entfernen der Kanüle zurückgeführt hat. Der Kranken­pfle­ge­schüler hatte die Infusionsnadel beim Patienten gezogen und dabei - vorschrifts­widrig - dieselben Handschuhe getragen, mit denen er zuvor bereits einen Mitpatienten versorgt hatte. Infolge der Infektion litt der Kläger über Monate unter heftigen Schmerzen und zog sich einen Abszess im Bereich der Lenden­wir­belsäule zu, der operativ versorgt werden musste. Er verlangte daraufhin vom beklagten Krankenhaus Schadensersatz, u.a. ein angemessenes Schmerzensgeld.

Abstöpseln der Infusion ohne vorherige Desin­fek­ti­o­ns­maß­nahmen ist grob behand­lungs­feh­lerhaft

Zu Recht, entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und sprach dem Kläger 40.000 Euro Schmerzensgeld zu. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger die MRSA-Infektion erlitten habe, weil er im Krankenhaus der Beklagten grob fehlerhaft behandelt worden sei. Der Kranken­pfle­ge­schüler habe beim Entfernen der Infusionskanüle grundlegende Hygie­ne­vor­schriften verletzt, weil er es versäumt habe, die Handschuhe zu wechseln, mit denen er zuvor einen Mitpatienten versorgt hatte. Diesen Ablauf habe der Kläger im Prozess bewiesen. Das Abstöpseln der Infusion ohne vorherige Desin­fek­ti­o­ns­maß­nahmen sei nach den Gutachten des medizinischen Sachver­ständigen grob behand­lungs­feh­lerhaft.

Grober Behand­lungs­fehler führt zur Beweis­la­st­umkehr

Durch den Behandlungsfehler sei der Kläger mit den MRSA-Keimen infiziert worden. Der Sachverständige habe bestätigt, dass die Einstichstelle der Kanüle eine "Eintrittspforte" für Keime sei und der Behand­lungs­fehler zur Infektion des Klägers mit den danach aufgeführten Komplikationen geführt haben könne. Eine weitere Ursächlichkeit des Behand­lungs­fehlers für die Infektion müsse der Kläger nicht nachweisen, der grobe Behand­lungs­fehler führe insoweit zu einer Beweis­la­st­umkehr.

Arbeitsunfähig infolge der Infektion ist bei Bemessung des Schmer­zens­geldes zu berücksichtigen

Bei der Bemessung des Schmer­zens­geldes sei zu berücksichtigen, dass der Kläger infolge der Infektion arbeitsunfähig geworden sei. Sie habe zu schwerwiegenden Komplikationen geführt und langandauernde ärztliche Behandlungen erforderlich gemacht.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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