18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil09.09.2016

Augenarzt muss nach fehlerhafter Behandlung kein Blindengeld erstattenGesetzlicher Forde­rungs­übergang setzt sachliche Kongruenz zwischen Ersatzpflicht des Schädigers und Leistungs­verpflichtung des Sozia­l­hil­fe­trägers voraus

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass ein Augenarzt, der einem Patienten nach fehlerhafter Behandlung Schadensersatz schuldet, das vom Landschafts­verband an den Patienten gezahlte Blindengeld nicht erstatten muss.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahre 1969 geborene Patient aus Recklinghausen ließ sich in den Jahren 2006 und 2007 vom beklagten Augenarzt aus Recklinghausen wegen Augenschmerzen und Dunkelsehen behandeln. Der Beklagte diagnostizierte eine Binde­haut­ent­zündung, die er mit Augentropfen behandeln ließ. Eine weitere diagnostische Abklärung im Hinblick auf einen grünen Star unterblieb, obwohl die Beschwerden fortbestanden. Ende 2007 suchte der Patient eine andere Augenarztpraxis auf, in der ein fortge­schrittener grüner Star an beiden Augen diagnostiziert wurde. Trotz durchgeführter Operationen verlor der Patient seine Sehschärfe, erlitt eine Gesichts­feld­ein­engung und ist heute so gut wie blind. Vom klagenden Landschafts­verband bezieht er seit dem 1. Januar 2009 Blindengeld.

Sozia­l­hil­fe­träger verlangt von Arzt Erstattung des gezahlten Blindengeldes

Ausgehend von einer grob fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten regulierte dessen ärztliche Haftpflicht­ver­si­cherung die Schaden­s­er­satz­ansprüche des Patienten mit einer Abfindung in Höhe von 475.000 Euro. Als Sozia­l­hil­fe­träger verlangt der Kläger vom Beklagten die Erstattung des an den Patienten im Jahre 2009 gezahlten Blindengeldes in Höhe von ca. 30.000 Euro und die Feststellung, dass der Beklagte dem Kläger auch weitere Blinden­geld­zah­lungen zu ersetzen hat. Dabei hat er gemeint, dass insoweit ein Forde­rungs­übergang nach § 116 Abs. 1 Sozial­ge­setzbuch X stattgefunden habe.

OLG verweist auf fehlende Kongruenz bestehe zwischen Blindengeld und Schaden­s­er­satz­an­spruch des Patienten

Die Klage blieb erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm entschied, dass der in § 116 Abs. 1 Sozial­ge­setzbuch X geregelte gesetzliche Forde­rungs­übergang eine sachliche Kongruenz zwischen der Ersatzpflicht des Schädigers und der Leistungs­ver­pflichtung des Sozia­l­hil­fe­trägers voraussetze, die nach der oberge­richt­lichen Rechtsprechung dann vorliege, wenn die Leistung des Sozia­l­hil­fe­trägers und der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz dem Ausgleich derselben Einbuße des Geschädigten dienten. Eine solche Kongruenz bestehe zwischen dem Blindengeld und dem Schaden­s­er­satz­an­spruch des Patienten, der auch den Ausgleich von durch die Erblindung entstandenen Mehrauf­wen­dungen umfasse, nicht. Das auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose gezahlte Blindengeld werde unabhängig von Einkommens- und Vermö­gens­ver­hält­nissen und auch von einer Erfor­der­lichkeit aus Seiten des Blinden pauschal gezahlt. Es solle Nachteile der Behinderung mildern, die Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen und ein möglichst selbständiges und selbst­be­stimmtes Leben erleichtern sowie die Pfleg­be­dürf­tigkeit vermeiden oder zumindest vermindern. Es werde abstrakt berechnet und nehme für sich gar nicht in Anspruch, jeglichen Mehraufwand abzudecken. Beim zivil­recht­lichen Schaden­s­er­satz­an­spruch, auf den der gesetzliche Forde­rungs­übergang anzuwenden sei, werde demgegenüber nach haftungs­recht­lichen Gesichtspunkten allein auf den tatsächlich entstandenen blind­heits­bedingt entstandenen Mehrbedarf abgestellt.

Patient würde im Falle eines Anspruchs­übergangs schlechter gestellt werden

Im Falle eines Anspruchs­übergangs würde der Blinde zudem schlechter gestellt, weil er vom Schädiger nur die über das gezahlte Blindengeld hinausgehenden Mehrauf­wen­dungen ersetzt verlangen könne und Aufwendungen in dieser Höhe zunächst auch schlüssig darlegen müsse. Dass er auch nicht "doppelt" entschädigt werde, regele das Gesetz über die Hilfen für Blinde und Gehörlose dadurch, dass er sich gezahlte Entschä­di­gungs­leis­tungen wegen Mehrauf­wen­dungen auf das Blindengeld anrechnen lassen müsse.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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