21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Urteil30.08.2021

Corona: Reise­ver­an­stalter muss bei einer wegen der COVID-19-Pandemie stornierten Klassenfahrt den Reisepreis erstattenCOVID-19-Pandemie stellt eine erhebliche Beein­träch­tigung im Sinne von § 651 h Abs. 3 BGB dar

Die Corona-Pandemie stellt eine erhebliche Beein­träch­tigung im Sinne des Reiserechts dar und berechtigt den Reisenden zum Rücktritt der Reise ohne dass der Reise­ver­an­stalter eine Entschädigung verlangen kann (von § 651 h Abs. 3 BGB). Dies hat das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden.

Die klagende Stiftung ist die Trägerin einer Schule in Niedersachsen. Anfang 2020 buchte eine an dieser Schule beschäftigte Lehrerin bei der beklagten Reise­ver­an­stalterin eine Klassenfahrt nach Liverpool vom 15.03 bis zum 21.03.2020. Den in Rechnung gestellten Reisepreis von fast 10.000 € zahlte die klagende Stiftung. Am 12.03.2020 stornierte die Lehrkraft die Reise. Die Reise­ver­an­stalterin erstattete allerdings nur einen Betrag von nicht ganz 1.000 €.

Klage auf Rückzahlung des Reisepreises - hier des Restbetrages von fast 9.000 €

Mit ihrer Klage verlangt die Stiftung von der Reise­ver­an­stalterin auch die Rückzahlung des Restbetrages von fast 9.000 €, weil sie insbesondere der Auffassung ist, dass zum Zeitpunkt der Stornierung der Reise aufgrund der in England grassierenden Coronavirus-Pandemie eine Situation vorgelegen habe, die sie – nach § 651 h Abs. 3 BGB – zum entschä­di­gungslosen Reiserücktritt berechtigt habe.

Das Landgericht Detmold hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2021 (Az. 01 O 153/20) mit der Begründung abgewiesen, dass die Stiftung gegenüber der Reise­ver­an­stalterin nicht selbst eine Rückzahlung des ausstehenden Betrags verlangen könne. Denn Vertragspartner der Reise­ver­an­stalterin sei nicht die Stiftung, sondern seien die angemeldeten Schülerinnen und Schüler gewesen, die von der Lehrerin bei dem Vertragsschluss vertreten worden seien.

Die Berufung der klagenden Stiftung hatte ganz überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts – so der Senat – sei zwischen der Stiftung und der Reise­ver­an­stalterin ein Pauscha­l­rei­se­vertrag über eine Gruppenreise nach Liverpool zustande gekommen. Unter anderem die Umstände der Vertrags­ab­wicklung und der außer­ge­richt­lichen Korrespondenz würden dafür sprechen, dass die Buchung auch aus der Sicht der Reise­ver­an­stalterin nicht im Namen der Schülerinnen und Schüler oder ihrer Erzie­hungs­be­rechtigen, sondern im Namen der Schule bzw. der hinter dieser stehenden hier klagenden Stiftung – als regelmäßig verlässlicher und solventer Vertragspartner – erfolgt sei.

Voller Reisepreis muss erstattet werden

Die Reise­ver­an­stalterin müsse – wie der Senat weiter ausgeführt hat – den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen. Mit der COVID-19-Pandemie habe eine erhebliche Beein­träch­tigung – im Sinne von § 651 h Abs. 3 BGB – vorgelegen. Denn es habe ein konkretes Risiko für einen ernstlichen Gesund­heits­schaden bestanden, weil in Liverpool als dem Zielort der Reise das Anste­ckungs­risiko deutlich erhöht gewesen sei. Das Auswärtige Amt habe zwar erst am 17.03.2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie eine Reisewarnung für Reisen in das gesamte Ausland ausgesprochen. Entscheidend sei aber insbesondere, dass zum Zeitpunkt der Stornierung am 12.03.2020 – nur drei Tage vor Reisebeginn – bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Virus SARS-CoV-2 um einen neuartigen Krank­heits­erreger handele, der akute Atemwegs­er­kran­kungen hervorrufe, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen könnten, ohne dass es eine Thera­pie­mög­lichkeit oder einen Impfstoff gegeben habe. Darüber hinaus bestehe bei Schülerreisen die Erwartung der erzie­hungs­be­rech­tigten Eltern, dass die Schülerinnen und Schüler in einem sicheren Umfeld reisen könnten. Dagegen sei die Pandemielage im Reiseland England akut gewesen und die Wahrschein­lichkeit, sich auf der Reise bzw. am Reiseort mit dem Coronavirus zu infizieren, deutlich höher gewesen, als wenn die Schülerinnen und Schüler – bei bereits am 12.03.2020 konkret im Raum stehenden und am Folgetag beschlossenen Schul­schlie­ßungen – zu Hause geblieben wären.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil30806

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI