21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil03.12.2014

Polizei­vollzugs­beamter hat bei versäumter Frist keinen Schadens­ersatz­anspruch wegen Alters­dis­kriminierung aufgrund einer zu frühen Versetzung in den RuhestandAnsprüche wegen ungerecht­fer­tigter Diskriminierung müssen innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist geltend gemacht werden

Ein Polizeibeamter, der meint, aufgrund unrechtmäßiger gesetzlicher Regelungen des Landes Nordrhein-Westfalen zu Unrecht vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden zu sein, verliert mögliche Schadens­ersatz­ansprüche gegen das Land Nordrhein-Westfalen, wenn er die zweimonatige Ausschlussfrist des Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetzes (AGG) versäumt. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahre 1947 geborene Kläger aus dem Münsterland war bis zu seiner Pensionierung am 30. Juni 2010 als Polizei­voll­zugs­beamter für das beklagte Land Nordrhein-Westfalen tätig. Auf seinen Antrag hin hatte das Land den Eintritt in den Ruhestand bereits drei Jahre verschoben. Den weiteren Antrag des Klägers, seinen Eintritt in den Ruhestand erneut um zwei Jahre bis zum 30. Juni 2012 hinaus­zu­schieben, lehnte das beklagte Land im Jahre 2010 aufgrund bestehender landes­recht­licher Vorschriften ab. Vom Kläger angestrengte verwal­tungs­ge­richtliche Verfahren hatten keinen Erfolg.

Kläger rügt Verstoß gegen die EU-Diskri­mi­nie­rungs­richtlinie und verlangt vom beklagten Land Schadensersatz

Vom beklagten Land verlangt der Kläger Schadensersatz mit der Begründung, das Land habe mit seinen gesetzlichen Regelungen zur stufenweisen Anhebung der Regel­al­ters­grenze für Polizei­voll­zugs­beamte gegen die EU-Diskri­mi­nie­rungs­richtlinie 2000/78/EG verstoßen. Während er, der Kläger, regulär wenige Monate nach der Vollendung des 60. Lebensjahr in den Ruhestand treten müsse, dürfte ein Polizei­voll­zugs­beamter des Geburtsjahres 1950 bis zur Vollendung seines 62. Lebensjahres weiterarbeiten. Durch die ihn wegen seines Alters diskri­mi­nierende Behandlung des beklagten Landes seien ihm Dienstbezüge in Höhe von ca. 21.500 Euro entgangen und zusätzliche Versi­che­rungs­kosten in Höhe von ca. 4.500 Euro entstanden. Diese Beträge habe das beklagte Land zu erstatten.

Kläger hatte Ansprüche innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist geltend machen müssen

Nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm ist das Schaden­s­er­satz­be­gehren des Klägers erfolglos geblieben. Es liege zwar eine Ungleich­be­handlung des Klägers vor, dieser habe es aber versäumt, seine Ansprüche innerhalb der im AGG geregelten, zweimonatigen Ausschlussfrist geltend zu machen.

OLG bejaht grundsätzlich Diskriminierung des Klägers im Sinne der europäischen Richtlinie durch Ungleich­be­handlung

Entgegen der Ansicht des beklagten Landes - so das Oberlan­des­gericht - seien die landes­recht­lichen Regelungen zur gestaffelten Anhebung der Altersgrenze für Polizeibeamte nicht nur am AGG, sondern auch an der EU-Diskri­mi­nie­rungs­richtlinie 2000/78EG selbst zu messen. Nach den landes­recht­lichen Regelungen werde der Kläger wegen seines Alters gegenüber anderen Landesbeamten ungleich behandelt. Zum einen habe der Landes­ge­setzgeber die Altersgrenze für Polizei­voll­zugs­beamte von bisher 60 Jahren auf "nur" 62 Jahre hochgesetzt, während für andere Landesbeamte eine Altersgrenze von 65 Jahren gelte. Zum anderen gelte für den Kläger eine Überg­angs­re­gelung, die seine reguläre Altersgrenze nur um 3 Monate verlängere, während für jüngere Polizei­voll­zugs­beamte die reguläre Altersgrenze stufenweise bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres angehoben worden sei. Diese Ungleich­be­hand­lungen seien eine unmittelbare Diskriminierung des Klägers im Sinne der europäischen Richtlinie. Ob sie im Hinblick auf die mit der Gesetzgebung des beklagten Landes verfolgten gesetz­ge­be­rischen Ziele gerechtfertigt seien, erscheine dem Oberlan­des­gericht nicht unzweifelhaft. Die gesetz­ge­be­rischen Ziele seien in der landes­recht­lichen Regelung nicht angegeben und vom beklagten Land im Hinblick auf die Vorschriften auch nicht so erläutert worden, dass Angemessenheit und Erfor­der­lichkeit der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden könnten.

Kläger hat gesetzlich geregelte Ausschlussfrist für Geltendmachung von Ansprüchen versäumt

Die Frage einer ungerecht­fer­tigten Diskriminierung müsse das Gericht allerdings nicht abschließend entscheiden, weil der Kläger die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte zweimonatige Ausschlussfrist versäumt habe. Von den ihn benach­tei­li­genden Entscheidungen des beklagten Landes und ihrer erfolglosen gerichtlichen Anfechtung habe der Kläger bereits im Jahr 2010 erfahren, so dass die Ausschlussfrist jedenfalls Anfang des Jahres 2011 abgelaufen sei und durch die im Januar 2012 erhobene Schaden­s­er­satzklage nicht mehr gewahrt werden konnte.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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