18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 25932

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Oberlandesgericht Hamm Hinweisverfügung28.02.2018

Gefährlicher Busausstieg: OLG Hamm zur Haftung der Beteiligten beim einem Unfall zwischen Pkw und Fahrgast beim Aussteigen aus einem BusFehlerhaftes Verhalten des Fahrgastes beim Aussteigen schließt auch Haftung des Busfahrers bei Unfall nicht aus

Wird der Fahrgast eines Busses beim Ausstieg durch ein den Bus auf der Ausstiegsseite passierendes Kraftfahrzeug verletzt, können alle Beteiligten - Fahrgast, Busfahrer und Fahrer des vorbeifahrenden Kfz - für den Unfall verantwortlich sein. Hierauf wies das Oberlan­des­gericht Hamm hin und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die seinerzeit 13 Jahre alte Geschädigte war Fahrgast in einem beim beklagten Versicherer haftpflicht­ver­si­cherten Linienbus. Mit diesem fuhr sie im März 2011 auf der Bundesstraße 55 von Allagen nach Warstein. Kurz vor dem Ortseingang Warstein, etwa 200 m vor der nächsten Haltestelle musste der Bus wegen eines durch den Karnevalsumzug entstandenen Verkehrsstaus auf der B 55 halten. Im dortigen Bereich hat die Straße einen befestigten Seiten-/Mehrzweck­streifen. Nachdem der Bus mehrere Minuten gestanden hatte, öffnete der Busfahrer auf Drängen von Fahrgästen, die ihren Anschlussbus noch rechtzeitig zu Fuß erreichen wollten, die Bustüren. Als die Geschädigte den Bus aus der hinteren Bustür verließ und auf die Straße trat, wurde sie von dem beim klagenden Versicherer haftpflicht­ver­si­cherten Pkw erfasst und verletzt. Sie erlitt eine Sprung­ge­lenks­fraktur, die operativ versorgt werden musste. Die Fahrerin des Pkw hatte zunächst unmittelbar hinter dem Bus gestanden, sich dann aber entschlossen, rechts neben dem Bus auf den Seitenstreifen zu fahren, um dort anzuhalten und zu telefonieren. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Busfahrer das Warnblinklicht an dem Bus nicht ein geschaltet.

Versicherer verlangt Schadens­be­tei­ligung des weiteren beteiligten Haftpflicht­ver­si­cherers

Die Geschädigte hat zunächst einen Schaden­s­er­satz­prozess gegen die Pkw-Fahrerin und Fahrzeug­halterin sowie den klagenden Haftpflicht­ver­si­cherer geführt. In diesem wurden Fahrerin und Versicherer unter Berück­sich­tigung eines hälftigen Mitverschuldens der Geschädigten rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. Der klagende Versicherer zahlte daraufhin bislang ca. 6.740 Euro an die Geschädigte. Die Hälfte dieses Betrages, ca. 3.370 Euro, verlangte er vom beklagten Haftpflicht­ver­si­cherer des Fahrers und des Busunternehmens mit der Begründung erstattet, dass ein Verschulden des Busfahrers und die Betriebsgefahr des Linienbusses in diesem Umfang zum Unfallgeschehen beigetragen hätten.

OLG: Alle am Unfallgeschehen Beteiligten tragen Mitver­ant­wortung

Das auf eine Schadensteilung gerichtete Begehren des klagenden Versicherers war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm wies darauf hin, dass sich der beklagte Versicherer zur Hälfte an der Haftungsquote des klagenden Versicherers zu beteiligen hat. Das entsprach der bereits vom Landgericht Arnsberg für dieses Haftungs­ver­hältnis ausgeurteilten Haftungsquote. Zur Begründung führte das Oberlan­des­gericht aus, dass alle am Unfallgeschehen Beteiligten eine Mitver­ant­wortung trügen. Der Beför­de­rungs­vertrag zwischen der Geschädigten und den Busunternehmen begründe eine vertragliche Schutzpflicht des Unternehmens zugunsten der Busfahrgäste, die im vorliegenden Fall dadurch verletzt worden sei, dass der Busfahrer die Bustüren geöffnet habe, ohne zuvor an dem Bus die Warnblinkanlage angestellt zu haben. Hierzu wäre er verpflichtet gewesen, weil er in der Verkehrs­si­tuation damit habe rechnen müssen, dass während des Aussteigens der Fahrgäste andere Fahrzeuge den rechts neben dem Bus gelegenen Seitenstreifen für sich nutzen könnten. Der Seitenstreifen habe nämlich von anderen Fahrzeugen zum Halten und Parken benutzt werden dürfen, von Radfahrern, landwirt­schaft­lichen und ähnlich langsamen Fahrzeugen sogar auch als Fahrbahn. Ausgehend hiervon habe der Busfahrer durch das Einschalten der Warnblinkanlage des Busses vor dem Öffnen der Bustüren die anderen Verkehrs­teil­nehmer vor der mit dem Ausstei­ge­vorgang verbunden Gefah­ren­si­tuation warnen müssen.

Versicherer zur Teilung des Schadensanteils verpflichtet

Ein Mitverschulden der Geschädigten, die sich beim Ausstieg aus dem Bus nicht so verhalten habe, dass eine Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer ausgeschlossen sei, vermindere zwar die Haftung auf Seiten des Busfahrers und des Busunternehmens, schließe diese aber nicht aus, weil auf Seiten des Verkehrs­un­ter­nehmens noch die Betriebsgefahr des Busses zu berücksichtigen sei. Im Verhältnis zu der Geschädigten sei eine Haftungs­ver­teilung von 50 % zu 50 % angemessen. Eine gleichlautende Quote habe sich auch im Vorprozess im Verhältnis der Geschädigten zum vorbeifahrenden Pkw ergeben. Der damit auf Seiten des Busunternehmens sowie des Busfahrers und auf Seiten der Pkw-Fahrerin und -Halterin jeweils verbleibende hälftige Haftungsanteil sei im Verhältnis zwischen diesen Unfall­be­tei­ligten und damit im Verhältnis des klagenden und beklagten Versicherers erneut mit einer jedenfalls 50 %-Mithaftung des Busunternehmens und seines Fahrers zu teilen. Das entspreche den jeweiligen Verursachungs- und Verschul­dens­bei­trägen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es - im Verhältnis der am Unfallgeschehen beteiligten Schädiger - aufgrund des abgeschlossenen Beför­de­rungs­ver­trages zuvörderst dem Busunternehmen und dessen Fahrer oblegen habe, die Geschädigte beim Aussteigen aus dem Bus vor Gefahren zu schützen.

Nach dem erteilten Hinweis hat der beklagte Versicherer die Berufung gegen das erstin­sta­nzliche Urteil zurückgenommen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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