21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil26.10.2017

Vater enterbt Sohn: Kind des Enterbten kann dennoch Pflichtteil am Erbe des Großvaters zustehenEnkel ist als entfernterer Abkömmling des Erblassers pflicht­teils­berechtigt

Enterbt ein Großvater nur seinen Sohn und vererbt sein Vermögen anderen Erben, kann dem Enkel ein Pflichtteils- und Pflicht­teils­ergänzungs­anspruch zustehen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Hagen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Oktober 2011 verstarb der seinerzeit 72 Jahre Erblasser aus Hagen. Er hinterließ einen Nachlass und eine Lebens­ver­si­cherung im - gerichtlich festgestellten - Wert von zusammen ca. 1.854.000 Euro.

Erblasser enterbt Kinder wegen deren Rauschgiftsucht

Der Erblasser hatte zwei Söhne. Der Ältere verstarb kinderlos im Jahre 1990 im Alter von 28 Jahren. Der Jüngere, heute 53 Jahre alt, ist - nach im Prozess vorgelegter Geburtsurkunde - der Vater des heute 21 Jahre alten Klägers aus Hagen. Beide Söhne hatte der Erblasser in einem im Jahre 1989 errichteten Testament enterbt und zur Begründung auf ihre Rauschgiftsucht und begangene Straftaten hingewiesen, u.a. eine vom jüngeren Sohn gegen ihn verübte Körper­ver­letzung. Zu Erben bestimmte der Erblasser in dem Testament seine damalige Lebensgefährtin sowie seinen Bruder, den heute 79 Jahre alten Beklagten aus Münster.

Enkel des Erblassers macht Pflicht­teils­ansprüche geltend

Nach dem Tode des Erblassers teilten die Erben den Nachlass unter sich auf. Im Jahre 2014 machte der Kläger Pflichtteils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­ansprüche in Höhe von zuletzt ca. 927.000 Euro gegen den Beklagten und die Lebensgefährtin des Erblassers geltend. Hierzu trug er vor, Enkel des Erblassers zu sein, so dass ihm als - allein verbliebenen - gesetzlichen Erben die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zustehe. Die Erben haben u.a. die Vaterschaft des enterbten Sohnes bestritten und allein die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde für keinen ausreichenden Nachweis gehalten. Außerdem machten sie geltend, dass sie den Nachlass verbraucht bzw. weitergegeben hätten.

Landgericht gibt Klage des Enkels statt

Das Landgericht Hagen gab der Klage im Wesentlichen statt und verurteilte die Lebensgefährtin des Erblassers sowie den Beklagten dazu, an den Kläger auf den ihm zustehenden Pflichtteil nebst Pflicht­teil­s­er­gänzung insgesamt ca. 927.000 Euro zu zahlen. Die Lebensgefährtin des Erblassers hat ihre Verurteilung nicht angefochten.

Enkel steht auch als nichteheliches Kind Pflicht­teils­an­spruch zu

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die erstin­sta­nzliche Verurteilung. Der Kläger sei pflicht­teils­be­rechtigt, so das Gericht. Er habe nachgewiesen, dass er der Sohn des jüngeren Sohnes des Erblassers und damit dessen Enkel sei. Grundlage der Pflicht­teils­be­rech­tigung sei, wie beim gesetzlichen Erbrecht, die rechtliche Abstammung des Klägers von seinem Vater. Diese habe der Kläger im vorliegenden Fall mit einer Geburtsurkunde nachweisen können und durch die im Original vorgelegte Geburtsurkunde auch nachgewiesen. Nach dem Inhalt dieser Urkunde sei der Kläger das Kind des jüngeren Sohns des Erblassers. Dass der Kläger ein nichteheliches Kind sei, sei rechtlich unerheblich. Eine Unrichtigkeit dieser Geburtsurkunde habe der Beklagte zu beweisen, was ihm nicht gelungen sei. Ob der Kläger auch biologisch vom Sohn des Erblassers abstamme, sei aufgrund der feststehenden rechtlichen Vaterschaft nicht von Bedeutung.

Entfernterer Abkömmling des Erblassers ist nach Ausschluss von gesetzlicher Erbfolge pflicht­teils­be­rechtigt

Das vom Erblasser errichtete Testament habe den Kläger durch die vom Erblasser bestimmte Erbeinsetzung seines Bruders und seiner Lebensgefährtin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Als entfernterer Abkömmling des Erblassers sei der Kläger nunmehr pflicht­teils­be­rechtigt. Eine dem Kläger vorgehende Pflicht­teils­be­rech­tigung seines Vaters sei nicht gegeben. Diesem habe der Erblasser neben dem Erbrecht auch den Pflichtteil entzogen. Das folge aus der testamentarisch verfügten Enterbung, die aufgrund der seinerzeit vorliegenden Entzie­hungs­gründe auch wirksam sei.

Pflicht­teils­entzug bezog sich nur auf eigene Kinder und nicht auch auf deren Nachkommen

Im Gegensatz zu seinem Vater habe der Kläger sein Pflicht­teilsrecht nicht verloren. Der Erblasser habe in seinem Testament nur angeordnet, seinen Söhnen, nicht aber auch auf deren Nachkommen den Pflichtteil zu entziehen. Bezogen auf die Person des Klägers sei zudem kein Grund für eine Entziehung des Pflichtteils ersichtlich und vom Erblasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben auch testamentarisch nicht verfügt worden.

Pflicht­teils­an­spruch ist mit gesamtem Vermögen und nicht nur mit übernommenem Nachlass zu erfüllen

Da der Beklagte - neben der Lebensgefährtin des Erblassers - dem Kläger gegenüber den Pflichtteils- und Pflicht­teil­s­er­gän­zungs­an­spruch als Gesamtschuldner schulde, sei er in Höhe des gesamten Anspruchs zur Zahlung zu verurteilen. Darauf, dass der Nachlass nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden sei, könne sich der Beklagte nicht berufen. Nach der Ausein­an­der­setzung der Erben­ge­mein­schaft habe er den Pflicht­teils­an­spruch mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit dem übernommenen Nachlass zu erfüllen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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