21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss27.01.2015

Weibliche Sichtkontrollen eines Haftraums müssen die Intimsphäre des männlichen Strafgefangenen berücksichtigenGefangenen muss Möglichkeit zum Bedenken der Blöße gegeben werden

Auch weibliche Bedienstete einer Justiz­vollzugs­anstalt dürfen männliche Gefangene durch einen Spion oder ein Fenster zum Haftraum überwachen. Bei den Kontrollen ist aber die Intimsphäre des Gefangenen möglichst zu schonen, Kontrollen sind daher - wenn ihr Sicherungszweck nicht gefährdet wird - vorher anzukündigen, damit einem Gefangenen z.B. die Möglichkeit gegeben wird, eine etwaige Blöße zu bedecken. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm auf die Rechts­be­schwerde eines Strafgefangenen.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 37 Jahre alte Strafgefangene war zeitweilig in der Justiz­voll­zugs­anstalt Aachen inhaftiert. Nach einem Selbst­mord­versuch in einer anderen Justiz­voll­zugs­anstalt hatte die Anstaltsleitung angeordnet, den Gefangenen in unregelmäßigen Zeitabständen von nicht mehr als 15 Minuten, auch bei Nacht, zu beobachten. Diese Beobach­tungs­maß­nahmen (durch das Fenster zu seinem Haftraum) führten teilweise auch weibliche Bedienstete durch. In mindestens drei Fällen war der Strafgefangene dabei nackt, nachdem er sich nach sportlicher Betätigung gewaschen hatte. Der Strafgefangene hat u.a. die Feststellung beantragt, dass seine Beobachtung durch weibliche Bedienstete rechtswidrig gewesen sei. Diesen Antrag hat die Straf­voll­stre­ckungs­kammer des Landgerichts Aachen zurückgewiesen.

Bei Kontroll­maßnahme ist grundgesetzlich geschützte Intimsphäre des Gefangenen möglichst zu schonen

Die Rechts­be­schwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der Straf­voll­stre­ckungs­kammer war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Die Sache ist nunmehr von der Straf­voll­stre­ckungs­kammer des Landgerichts Aachen erneut zu verhandeln und zu entscheiden. Nach dem Straf­voll­zugs­gesetz dürfen einem Strafgefangenen, nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrecht­er­haltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich seien, entschied das Oberlan­des­gericht. Grundsätzlich sei es zulässig, einen Strafgefangenen durch einen Türspion oder ein Fenster zum Haftraum - auch durch weibliche Bedienstete - zu beobachten, um einen etwaigen Selbstmord des Gefangenen zu verhindern. Auch bei dieser Kontroll­maßnahme sei allerdings die durch das Grundgesetz geschützte Intimsphäre des Gefangenen möglichst zu schonen. In diese werde eingegriffen, wenn der Gefangene zum Zeitpunkt einer Sichtkontrolle durch weibliche Bedienstete nackt sei. Dem trage der angefochtene Beschluss nicht hinreichend Rechnung.

Straf­voll­stre­ckungs­kammer muss Möglichkeit eines Sich-bemerkbar-Machens bei Kontrollen prüfen

Die Straf­voll­stre­ckungs­kammer habe daher erneut zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit bestanden habe, dass die Bedienstete den Einblick in den Haftraum zuvor in irgendeiner Form z.B. durch ein Klopfzeichen oder eine Ansprache durch die Haftraumtür ankündige. Auf diese Art und Weise werde es dem Strafgefangenen ermöglicht, einen etwaigen Eingriff in seine Intimsphäre abzuwenden, indem er beispielsweise seine Blöße bedeckte. Andererseits könne auch in Betracht zu ziehen sein, ob ein Sich-bemerkbar-Machen vor dem Betreten des Haftraums zu unterbleiben habe, weil zu befürchten sei, dass der Gefangene eine Selbst­mor­d­absicht noch zwischen Ankündigung und Sichtkontrolle verwirkliche.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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