15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil12.05.2016

Gefälschte Urteils­ab­schrift ist keine strafbare Urkun­den­fäl­schungEinfache Abschrift eines Urteils stellt keine Urkunde im straf­recht­lichen Sinne dar

Das Anfertigen einer gefälschten einfachen Urteils­ab­schrift muss keine strafbare Urkun­den­fäl­schung sein. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und hob damit das Berufungsurteil des Landgerichts Dortmund auf.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahre 1972 geborene Freigesprochene ist als Rechtsanwalt in Hamm tätig. Von einem Mandanten erhielt er 2011 den Auftrag, restlichen Lohn gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber des Mandanten gerichtlich geltend zu machen. In der Sache blieb er mit Ausnahme eines vorge­richt­lichen Anschreibens untätig, teilte seinem Mandanten später jedoch wahrheitswidrig mit, für ihn gegen den Arbeitgeber einen erfolgreichen Prozess vor dem Arbeitsgericht geführt zu haben. Als der Mandant das ergangene Urteil sehen wollte, fertigte der Rechtsanwalt die einfache Abschrift eines vermeintlichen Urteils des Arbeitsgerichts Hamm mit einem entsprechenden Tenor an, die er mit einem Stempelaufdruck "Abschrift" versah und seinem Mandanten überließ. Eine Nachfrage des Mandanten beim Arbeitsgericht offenbarte, dass die vermeintliche Urteils­ab­schrift gefälscht war.

AG und LG verurteilen Rechtsanwalt wegen Urkun­den­fäl­schung zu Geldstrafe

Wegen der Fälschung verurteilten das Amtsgericht Dortmund und - nach eingelegter Berufung - auch das Landgericht Dortmund den Rechtsanwalt jeweils wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe, das Landgericht Dortmund erkannte im Berufungs­ver­fahren auf eine Strafe von 130 Tagessätzen zu je 30 Euro. Der Vorwurf eines (versuchten) Betruges konnte im Strafverfahren nicht festgestellt werden. Es ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Anwalt vom Mandanten zu Unrecht Honorar erhalten hatte oder beanspruchen wollte. Auch gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die infrage stehenden Lohnansprüche des Mandanten aufgrund der schleppenden Betreibung des Mandats nicht mehr durchsetzbar waren bzw. der Rechtsanwalt einen dahingehenden Vorsatz gefasst hatte.

OLG verneint Urkun­den­fäl­schung und spricht Rechtsanwalt frei

Aufgrund der vom Rechtsanwalt gegen seine Verurteilung eingelegten Revision hatte das Oberlan­des­gericht Hamm zu prüfen, ob der vom Berufungs­gericht - rechts­feh­lerfrei - festgestellte Sachverhalt ein wegen Urkun­den­fäl­schung strafbares Verhalten des Rechtsanwalts beinhaltete. Diese Überprüfung ist zu Gunsten des angeklagten Rechtsanwalts ausgefallen, der vom Oberlan­des­gericht deswegen freigesprochen wurde. Der Rechtsanwalt könne nicht wegen Urkun­den­fäl­schung gemäß § 267 Strafgesetzbuch bestraft werden, weil er keine unechte Urkunde im Sinne der Strafvorschrift hergestellt habe, so das Gericht. Die einfache Abschrift eines Urteils sei im Unterschied zu einer Urteils­aus­fer­tigung oder einer beglaubigten Urteils­ab­schrift keine Urkunde im straf­recht­lichen Sinne. Die einfache Abschrift verkörpere nicht die Erklärung des Ausstellers des Originals, sondern gebe lediglich wieder, was (vermeintlich) in einem anderen Schriftstück stehe. Zwar würden in der Rechtsprechung einfache Abschriften unter gewissen Umständen als Urkunden im Sinne der straf­recht­lichen Vorschrift des § 267 Strafgesetzbuch angesehen. Derartige Umstände seien im vorliegenden Fall allerdings nicht feststellbar. Das vom Rechtsanwalt erstellte Schriftstück sei von ihm nicht als ein vom Arbeitsgericht herrührendes Urteil, sondern lediglich als eine - mit einem Stempelaufdruck auch so gekennzeichnete - Abschrift ausgegeben worden. Als einfache Abschrift eines vermeintlichen Urteils habe das Schriftstück auch nicht als Ersatz für die Urschrift dienen können. Einfache Urteils­ab­schriften träten gerade nicht wie Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. Zutreffend sei zwar, dass der Rechtsanwalt mit der gefälschten einfachen Abschrift und deren Vorlage gegenüber seinem Mandanten behauptet habe, dass ein Urteil des aus der Abschrift ersichtlichen Inhalts existiere. Allein dieser Umstand führe aber nicht dazu, dass nunmehr die Abschrift als unechte Urkunde im straf­recht­lichen Sinn anzusehen sei.

Rechtsuchenden dürfen grundsätzlich Vorlage beglaubigter Abschriften verlangen

Bei seiner Entscheidung habe der Gericht die von der General­staats­an­walt­schaft hervorgehobene erhebliche praktische Bedeutung auch einfacher Abschriften von gerichtlichen Entscheidungen für den Rechtsverkehr bedacht. Der Umstand, dass im alltäglichen Leben mittlerweile verschiedene Arten von Schriftstücken wie z.B. Fotokopien, Telefa­x­schreiben oder (ausgedruckten) E-Mails erhebliche Bedeutung bzw. auch ein erheblicher Beweiswert beigemessen werde, begründe jedoch nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht deren Urkundsqualität. Bei gerichtlichen Entscheidungen müsse der Rechtsverkehr im Grundsatz nicht bereits auf einfache Abschriften vertrauen. Für einen Rechtsuchenden bestehe durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen. Genüge einem Rechtsuchenden gleichwohl eine einfache Abschrift, könne im Falle einer vorgelegten Fälschung gegebenenfalls eine nach den Betrugs­vor­schriften strafbare Täuschung vorliegen, bei der dann allerdings keine als Urkun­den­fäl­schung strafbare Urkunde verwandt worden sei.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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