21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss17.08.2021

Corona-Schutzimpfung: Übertragung der Ent­scheidungs­befugnis auf den der Empfehlung der STIKO vertrauenden Elternteil bei impfbereitem 16jährigen KindVorliegend auch Kindeswille zu beachten

Auch bei vorhandener Ein­willigungs­fähigkeit in eine Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen Kind bedarf es eines Co-Konsenses mit den sorge­be­rech­tigten Eltern. Können diese sich in dieser Frage nicht einigen, ist die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die STIKO und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) wies die Beschwerde einer Mutter zurück.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die geschiedenen Eltern eines 2005 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Bei dem fast 16-Jährigen liegt gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (STIKO) aufgrund von Vorerkrankungen eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung gegen das Corona Virus SARSCoV- 2 mit einem mRNA-Impfstoff vor. Vater und Kind befürworten eine Impfung, die Mutter ist damit nicht einverstanden und bezeichnet die Impfung als „Gentherapie“. Auf Antrag des Vaters hat das Amtsgericht diesem im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes übertragen. Die erste Impfung des Kindes ist mittlerweile erfolgt. Hiergegen legte die Mutter Beschwerde ein.

OLG weist Beschwerde der Mutter zurück

Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung diesem allein übertragen werden (§ 1628 S. 1 BGB). Die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung gegen das Corona Virus SARSCoV- 2 sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Zwar sei hier naheliegend, dass der fast 16-Jährige für den medizinischen Eingriff im Verhältnis zu der ärztlichen Impfperson selbst einwil­li­gungsfähig sei. Gleichwohl bedürfe es bei dem nicht geringfügigen medizinischen Eingriff zur Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten auch der Einwilligung der sorge­be­rech­tigten Eltern im Wege eines sog. Co-Konsenses.

Empfehlungen der STIKO befürwortender Elternteil erhält Entschei­dungs­be­fugnis

Die Entscheidungsbefugnis sei demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürworte, soweit - wie vorliegend - bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlägen. Bereits zum Zeitpunkt der erstin­sta­nz­lichen Entscheidung habe eine Empfehlung der STIKO für eine COVID-19 Impfung als Indika­ti­o­ns­impfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf (hier: Adipositas) der COVID-19 Erkrankung bestanden. Daher komme es gar nicht darauf an, dass sich die STIKO am 16.08.2021 nunmehr für Corona-Impfungen aller Kinder und Jugendlichen von mindestens 12 Jahren ausgesprochen habe.

Auch Kindeswille zu beachten

Zudem, so das OLG, sei nach § 1697 a BGB auch der Kindeswille zu beachten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorge­rechtss­treits bilden könne. Es stehe außer Frage, dass der fast 16-Jährige aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung im Stande sei, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden. Insofern spreche auch die Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes bei sorge­recht­lichen Entscheidungen vorliegend für die bessere Entschei­dungs­kom­petenz des Kindesvaters. Denn Teil der elterlichen Sorge sei auch, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verant­wor­tungs­be­wusstem Handeln zu berücksichtigen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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