Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss01.09.2025
Aufgaben in einer Rechtsanwaltskanzlei müssen auch bei Krankheit oder Ausscheiden einer Mitarbeiterin zuverlässig erfüllt werdenRechtsanwältin muss durch geeignete Organisationsmaßnahmen der Überlastung ihrer Mitarbeiter bei personeller Ausdünnung entgegenwirken
In einer Rechtsanwaltskanzlei muss sichergestellt werden, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn die Belegschaft durch Krankheit und Ausscheiden einer Mitarbeiterin reduziert ist. Einer eventuellen Überlastung, die dadurch entsteht, dass dem verbliebenen Personal zu viele Aufgaben übertragen werden, muss entgegengewirkt werden. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat einen Antrag einer Rechtsanwältin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen, da sie entsprechende geeignete Maßnahmen nicht dargelegt hatte.
Die Beklagten waren vom Landgericht in einem Schadensersatzprozess aufgrund von Mängeln bei einem Hauskauf zur Zahlung von knapp 30.000 € verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Berufung begründete ihre Rechtsanwältin nicht rechtzeitig. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist erläuterte sie damit, dass die Berufungsbegründungfrist infolge eines Fehlers "der verbliebenen Büroangestellten" nicht in den Fristenkalender eingetragen worden sei. Eine "personelle Ausdünnung" bei den Kanzleimitarbeitern habe zu dem einmaligen Eingabefehler der verbliebenen Mitarbeiterin geführt.
Gericht weist Antrag auf Wiedereinsetzung zurück
Der zuständige 3. Zivilsenat hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Es liege keine unverschuldete Fristsäumnis vor, begründete er die Entscheidung. Dem Vortrag der Rechtsanwältin könne nicht entnommen werden, dass die Fristsäumnis nicht auf organisatorischen Mängeln der Fristenkontrolle beruhe. Die von der Rechtsanwältin dargelegte drastische Reduzierung des Personals infolge Erkrankung einer Mitarbeiterin und Ausscheiden eines weiteren Mitarbeiters habe zwar die Gefahr der Überlastung der verbliebenen Mitarbeiterin bergen können. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass diese - auf einem Organisationsverschulden beruhende - Überlastung die Ursache für den festgestellten Fehler gewesen sei.
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Rechtsanwalt muss stets sicherstellen, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn die Belegschaft ausgedünnt ist
Die eigenen Sorgfaltspflichten einer Rechtsanwältin seien erhöht, wenn Störungen in der Organisation des Berufsalltags aufträten, die dazu führen könnten, dass die zulässig delegierten Pflichten der Anwältin nicht erfüllt werden. Sie müsse stets sicherstellen, dass die Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllten, wenn die Belegschaft durch Krankheit und Ausscheiden einer Mitarbeiterin reduziert sei. Dazu gehöre, einer eventuellen Überlastung entgegenzuwirken, die dadurch entstehe, dass dem verbliebenen Personal zu viele Aufgaben übertragen würden.
Der Gefahr von Fehlverhalten kann z.B. durch eine verstärkte Kontrolle entgegengewirkt werden
Auf welche Weise eine Rechtsanwältin die Belastung des verbliebenen Personals in zumutbaren Grenzen halte, bleibe ihr überlassen. Sei etwa eine Kompensation durch den Einsatz weiterer zuverlässiger Kräfte nicht möglich, könne der Gefahr von Fehlverhalten z.B. durch eine verstärkte Kontrolle entgegengewirkt werden. Im Einzelfall könne es auch notwendig werden, dass die Anwältin die delegierten Aufgaben, wie zum Beispiel die Fristenkontrolle, wieder an sich ziehe. Hier sei nicht erkennbar, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten geeignete Maßnahmen getroffen habe, um trotz des personellen Engstandes eine ausreichende Fristenkontrolle zu gewährleisten.
Der Organisationsmangel war auch für die Fristversäumnis ursächlich
Der Organisationsmangel sei auch für die Fristversäumnis ursächlich gewesen. Sofern nicht alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergriffen wurden, gehe es zulasten der Rechtsanwältin, wenn nicht festgestellt werden könne, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.09.2025
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)