15.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss02.02.2019

Verknüpfung einer Erbenstellung mit Besuchspflicht ist als sittenwidrig und damit nichtig anzusehenEinsetzen erbrechtlicher Vermö­gens­vorteile als Druckmittel für Besuche der Enkelkinder unzulässig

Setzt ein Erblasser erbrechtliche Vermö­gens­vorteile als Druckmittel für zu Lebzeiten durchzuführende Besuche seiner Enkelkinder ein, ist eine an die Besuchspflicht geknüpfte bedingte Erbeinsetzung der Enkel sittenwidrig und damit nichtig. Die Enkel sind unter Berück­sich­tigung des hypothetischen Willens des Erblassers auch ohne Erfüllung der Besuchspflicht Miterben. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Die Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls sind die Enkel des Erblassers. Ihr Großvater hatte in einem handschrift­lichen Testament seine Ehefrau sowie einen Sohn aus erster Ehe zu jeweils 25 % als Erben eingesetzt. Hinsichtlich der restlichen 50 % hatte er verfügt, dass dieses Geld die beiden Enkel - Kinder eines anderen Sohnes - zu gleichen Teilen bekommen sollten, "aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens sechsmal im Jahr besuchen ... Sollte das nicht der Fall sein, d.h. mich keiner besuchen, werden die restlichen 50 % des Geldes zwischen meiner Frau ... und meinem Sohn ...aufgeteilt". Diese Erbregelung war den Familien­an­ge­hörigen zu Lebzeiten des Erblassers bekannt. Die damals minderjährigen Enkel erfüllten die jährliche Besuchszahl nicht.

Auferlegte Besuchspflicht als Bedingung für Erbenstellung sittenwidrig

Die Ehefrau des Erblassers sowie der Sohn beantragten die Erteilung eines Erbscheins, der sie als hälftige Miterben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hatte diesem Antrag entsprochen. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der beiden Enkel, die vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main Erfolg hatte. Die von dem Erblasser aufgestellte aufschiebende Bedingung, die die Erbenstellung der Beschwer­de­führer von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht bei dem Erblasser abhängig macht, sei laut Oberlan­des­gericht vielmehr sittenwidrig und damit nichtig.

Sitten­wid­rigkeit einer Bedingung kann grundsätzlich nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden

Grundsätzlich sei zwar die im Grundgesetz geschützte Testierfreiheit eines Erblassers zu gewährleisten. Es müsse möglich sein, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Sitten­wid­rigkeit einer Bedingung könne nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Die Grenze zu einem solchen Ausnahmefall sei dann überschritten, wenn die von dem Erblasser erhobene Bedingung unter Berück­sich­tigung der höchst­per­sön­lichen oder wirtschaft­lichen Umstände die Entschlie­ßungs­freiheit der bedingten Zuwen­dungs­emp­fänger unzumutbar unter Druck setze und durch das Inaus­sicht­stellen von Vermö­gens­vor­teilen Verhal­tens­weisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen würden. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls, die erkennen lassen müssten, ob der Erblasser durch einen wirtschaft­lichen Anreiz in einer gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu erkaufen versuche, so das Oberlan­des­gericht.

Großvater übt durch Bedingungen Druck auf Enkelkinder aus

Hier stellten sich die eingeforderten regelmäßigen Besuche der Enkelkinder als Voraussetzung für die Erlangung der Erbenstellung als sittenwidrig dar. Grundsätzlich sei zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen zu sehen. In der hier gewählten Form habe der Großvater jedoch faktisch seine Enkelkinder - unter Zwischen­schaltung der Eltern - durch Inaus­sicht­stellen der Erbenstellung im Falle regelmäßiger Besuche dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung eines Vermö­gens­vorteils zwingend die im Testament genannten Besuchs­be­din­gungen zu erfüllen.

Einflussnahme des Erblassers auf Entschlie­ßungs­freiheit der Enkelkinder ist als sittenwidrig anzusehen

Dabei seien die hier zu erlangenden Vermö­gens­vorteile im oberen fünfstelligen Bereich auch erheblich gewesen. Der Erblasser habe über dieses Druckmittel gerade ein Verhalten seine Enkelkinder erreichen wollen, das regelmäßig deren innere, freie Überzeugung voraussetze. Eine derartige Einflussnahme des Erblassers auf die Entschlie­ßungs­freiheit seiner Enkelkinder sei von der Rechtsordnung auch im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers nicht hinzunehmen und damit als sittenwidrig und somit nichtig einzuordnen, resümierte das Oberlan­des­gericht.

Nichtigkeit der Besuchs­be­dingung führt nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung

Die Nichtigkeit der Besuchs­be­dingung führe jedoch nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm testierte Besuchs­be­dingung unwirksam wäre, sei davon auszugehen, dass er seine beiden Enkelkinder trotzdem als Miterben eingesetzt hätte. Dafür spreche gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm)

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