18.10.2024
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Dokument-Nr. 25021

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Oberlandesgericht Hamm Urteil12.09.2017

Erbeinsetzung im gemein­schaft­lichen Ehegat­ten­tes­tament kann Schenkungen zu Lebzeiten einschränkenErbendes Kind kann von Drittem nach dem Tode des überlebenden Elternteils Geschenke herausverlangen

Bestimmen Ehegatten in einem gemein­schaft­lichen Ehegat­ten­testamt ihr gemeinsames Kind zum Schlusserben des Längstlebenden und verschenkt der Überlebende nach dem Tode eines Ehegatten einen Großteil des Vermögens an einen Dritten, wodurch das Erbe vermindert wird, kann das erbende Kind von dem Dritten die Geschenke nach dem Tode des überlebenden Elternteils herausverlangen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor. Beeinträchtigt der überlebende Ehegatte die Erberwartung eines in einem gemein­schaft­lichen Ehegat­ten­tes­tament verbindlich eingesetzten Schlusserben durch Schenkungen an einen Dritten, kann der Dritte nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten zumindest dann zur Herausgabe an den Schlusserben verpflichtet sein, wenn der Erblasser kein anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hatte.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der heute 71 Jahre alte Kläger aus Gevelsberg ist Erbe seines im Jahre 2014 im Alter von 97 Jahren verstorbenen Vaters und Erblassers. Dieser und die im Jahre 2005 im Alter von 84 Jahren verstorbene Mutter des Klägers hatten diesen in einem im Jahre 1961 errichteten und im Jahre 2000 geänderten gemein­schaft­lichen Testament zum Schlusserben des längstlebenden Ehegatten eingesetzt.

Beklagte erhält lebenslanges Wohnrecht an Eigen­tums­wohnung des Klägers

Nach dem Tode der Mutter lernte der Vater die heute 78 Jahre alte Beklagte kennen, mit der er seit 2010 in einem Haushalt zusammenlebte. Auf Wunsch des Vaters vereinbarte der Kläger mit der Beklagten im Jahre 2010 ein lebenslanges Wohnrecht an einer im Eigentum des Klägers stehenden Wohnung unter der Bedingung, dass die Beklagte den Vater bis zu dessen Tode oder bis zu einer Heimaufnahme pflege und in Bezug auf das von ihr und dem Vater bewohnte Haus keine Besitzansprüche stelle.

In der Folgezeit übertrug der Vater der Beklagten verschiedene Vermö­gens­ge­gen­stände (u.a. Fonds­be­tei­li­gungen, Schuld­ver­schrei­bungen Genussrechte, Lebens­ver­si­che­rungen) im Wert von ca. 222.000 Euro. Aus diesen erhielt die Beklagte Dividenden in Höhe von ca. 23.500 Euro. Durch Barabhebungen erlangte die Beklagte weitere 50.000 Euro aus dem Vermögen des Erblassers.

Kläger verlangt Rückabwicklung der Schenkungen

Der Kläger verlangte von der Beklagten die Herausgabe der genannten Vermögenswerte und war der Auffassung, dass die Zuwendungen als sein Erbteil beein­träch­tigende Schenkungen rückabzuwickeln seien. Die Beklagte bestritt eine Beein­träch­ti­gungs­absicht des Erblassers und behauptete, dieser habe ihr die Vermögenswerte aus Dankbarkeit für und zur Sicherstellung weiterer intensiver Pflege übertragen. Den Erblasser habe sie seit ihrem Einzug in dessen Wohnung intensiv - quasi 24 Stunden am Tag - gepflegt und betreut.

Schenkungen haben Erberwartung des Klägers beeinträchtigt

Die Klage hatte Erfolg. Das Oberlan­des­ge­richts Hamm hat die Beklagte zur Übertragung der ihr zugewandten Vermögenswerte und zur Rückzahlung der von ihr erlangten Gelder verurteilt. Der Erblasser habe der Beklagten die Vermögenswerte geschenkt, so das Oberlan­des­gericht. Diese Schenkungen hätten die Erberwartung des Klägers beeinträchtigt und seien nicht durch ein - eine Benach­tei­li­gungs­absicht ausschließendes - anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters veranlasst gewesen. Nach dem Tode der Mutter habe der Vater die Einsetzung des Klägers als Schlusserbe beachten müssen. Die Erbeinsetzung beruhe auf einer wechsel­be­züg­lichen Verfügung beider Ehegatten, an die der Überlebende nach dem Tode des erstvers­ter­benden Ehegatten gebunden sei.

Erblasser handelte bei Schenkung auch mit Benach­tei­li­gungs­absicht

Die in Frage stehenden Zuwendungen habe die Beklagte als Schenkungen erhalten. Dass sie als Gegenleistung für die erbrachten oder erwarteten Pflege­leis­tungen vertraglich vereinbart gewesen seien, habe die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Der Erblasser habe bei der Schenkung auch mit Benach­tei­li­gungs­absicht gehandelt. Orientiert am Schutzzweck des Gesetzes seien an das Vorliegen der Benach­tei­li­gungs­absicht zunächst nur geringe Anforderungen zu stellen. Die Beein­träch­tigung des Vertragserben müsse nicht das einzige oder leitende Motiv für die Schenkung gewesen sein. Es genüge vielmehr, dass der Erblasser wisse, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe schmälere.

Zur Feststellung einer Benach­tei­li­gungs­absicht sei allerdings durch eine Abwägung der beteiligten Interessen zu prüfen, ob der Erblasser ein anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung habe. Nur in diesem Fall müsse der Erbe die seine Erberwartung beein­träch­tigende Zuwendung hinnehmen. Ein derartiges Eigeninteresse könne zwar vorliegen, wenn ein Erblasser mit einer Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege sichern wolle.

Schenkungen im Wert von ca. 250.000 Euro hätten Nachlass weitgehend wertlos gemacht

Im zu beurteilenden Fall habe die Beklagte allerdings ein diesbezügliches, anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht schlüssig darlegen können. Unter Berück­sich­tigung der Dividenden gehe es um Schenkungen im Wert von ca. 250.000 Euro an die Beklagte, die den Nachlass weitgehend wertlos gemacht hätten. Dem stünden behauptete Pflege- und Haushalts­leis­tungen über einen Zeitraum von ca. vier Jahren gegenüber, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte während dieser Zeit ohnehin in vollem Umfang freie Kost und Logis vom Erblasser erhalten habe sowie auf Kosten des Erblassers mit ihm gemeinsam gereist sei. Außerdem habe ihr der Kläger für die Zeit nach dem Tode des Erblassers ein Wohnrecht zugesagt. Vor diesem Hintergrund rechtfertigten die von der Beklagten behaupteten Pflege- und Haushalts­leis­tungen die infrage stehenden Schenkungen nicht.

Zudem habe die Beklagte dem Kläger die vereinnahmten Dividenden sowie die Barabhebungen zu erstatten. Dass sie diese Beträge dem Erblasser ausgehändigt oder in seinem Sinne ausgegeben habe, sei von der Beklagten nicht nachvollziehbar dargetan worden.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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