21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss03.05.2019

Neue Partnerschaft einer nichtehelichen Mutter führt nicht zur Verwirkung des Unter­halts­an­spruchsGebotene Gleich­be­handlung nichtehelicher und ehelicher Mütter im Betreu­ungs­un­terhalt darf wegen strukturell schwächerer Unter­halts­ansprüche nichtehelicher Mutter nicht weiter ausgedehnt werden

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass die nichteheliche Mutter nicht ihren Unter­halts­an­spruch gegen den Vater des Kindes verliert, wenn sie mit einem neuen Partner eine feste Beziehung eingeht und mit diesem einen gemeinsamen Hausstand unterhält. Sie ist insoweit nicht einer ehelichen Mutter gleichzustellen, bei der eine neue Partnerschaft zur Verwirkung des Unter­halts­an­spruchs führt.

Die Beteiligten des zugrunde liegenden Verfahrens sind die nichtehelichen Eltern eines Kindes. Sie hatten sich bereits vor der Geburt getrennt. Das Kind wird von der Mutter betreut und versorgt. Die Mutter verlangte nun weitere Unter­halts­zah­lungen vom Vater für die ersten drei Lebensjahre des Kindes. Sie war nach der Elternzeit ab dem 14. Lebensmonat des Kindes zu 50 %, ab dem 26. Lebensmonat zu 100 % berufstätig. Dabei konnte die Bankangestellte nicht ihr vor der Geburt des Kindes erzieltes Monatseinkommen von netto 2.800 Euro erreichen. Der Vater, dessen Monatseinkommen netto 4.800 Euro beträgt, hatte ihr zunächst Betreu­ungs­un­terhalt gezahlt, diesen jedoch in Ansehung ihrer Erwer­b­s­tä­tigkeit auf zuletzt 215 Euro monatlich reduziert.

Vater hält Unter­halts­an­spruch der Kindsmutter durch Zusammenleben mit neuem Partner für verwirkt

Die Mutter war der Auffassung, dass ihre Berufstätigkeit während der ersten drei Lebensjahre des Kindes überob­li­ga­torisch sei; die Einkünfte könnten deshalb nicht voll angerechnet werden. Dem widersprach der Vater und wandte außerdem das Zusammenleben mit dem neuen Partner ein. Wie bei einer geschiedenen Ehefrau, die ein gemeinsames Kind betreut, sei wegen dieser verfestigten Lebenspartnerschaft der Unterhaltsanspruch nach § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

Das Amtsgericht hatte dem Antrag der Mutter teilweise statt­statt­gegeben.

Anspruch der Mutter nach sogenanntem Halbtei­lungs­grundsatz begrenzt

Mit ihrer Beschwerde verfolgte die Mutter weitergehende Unter­halts­ansprüche. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main gab der Frau Recht. Das Gericht stellte zunächst klar, dass die während der ersten drei Lebensjahre des Kindes erzielten Einkünfte der Mutter nur sehr eingeschränkt anzurechnen seien, weil sie in dieser Zeit überhaupt nicht zur Arbeit verpflichtet war (§ 1615 l BGB). Der Vater schulde eigentlich der Mutter einen an ihren vorgeburtlichen Einkünften zu bemessenden Unterhalt (2.800 Euro). Dafür verdiene er jedoch nicht genug. Deshalb sei der Anspruch nach dem sogenannten Halbtei­lungs­grundsatz begrenzt, der verhindert, dass der Unter­halts­pflichtige mehr aufwenden muss, als ihm verbleibt. Mit der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs sei aus dem Gleich­heits­grundsatz des Art. 3 GG zu folgern, dass der Unter­halts­an­spruch der nichtehelichen Mutter nicht das übersteigen dürfe, was eine eheliche Mutter fordern könnte.

Wegfall des Unter­halts­an­spruchs nur bei "grober" Unbilligkeit gerechtfertigt

Soweit der Vater jedoch eine Unter­halts­ver­wirkung wegen der Lebens­ge­mein­schaft mit ihrem neuen Partner annehme, sei dem nicht zu folgen. Der Grundgedanke der Unter­halts­ver­wirkung (§ 1579 Nr. 2 BGB) sei auch nicht über den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) auf Unter­halts­be­zie­hungen unter nichtehelichen Partnern anzuwenden. Der Gesetzgeber habe den Unter­hal­t­an­spruch der nichtehelichen Mutter nicht in jeder Hinsicht dem der ehelichen Mutter angeglichen. So könne sie - anders als eine eheliche Mutter - keinen Alters­vor­sor­ge­un­terhalt verlangen. Außerdem erhalte sie keinerlei Ausgleich für etwaige Nachteile im Erwerbsleben, die sie durch die zeitweilige Betreuung des gemeinsamen Kindes und Unterbrechung ihrer Erwerbsvita erleide. Die gebotene Gleich­be­handlung der nichtehelichen und ehelichen Mütter im Betreu­ungs­un­terhalt dürfe wegen des strukturell schwächeren Unter­halts­an­spruchs der nichtehelichen Mutter nicht weiter ausgedehnt werden. Insbesondere folge aus dem Gleichheitssatz nicht, dass für eine Verwirkung bereits eine "einfache" Unbilligkeit im Sinne des aus dem Ehegat­ten­un­ter­haltsrecht stammenden Grundsatzes einer Unter­halts­ver­wirkung (§ 1579 BGB) ausreiche. Hintergrund für die Verwirkung wegen des Zusammenlebens in "sozio-ökonomischer Gemeinschaft" mit einem neuen Partner (§ 1579 Nr. 2 BGB) sei der Gedanke der ehelichen Solidarität. Die dafür erforderliche "Abkehr aus der ehelichen Solidarität" durch die Eingehung einer anderen, gleichsam die Ehe ersetzenden Partnerschaft könne sich bei nichtehelichen Partnern aber nicht ereignen. Für den Unter­halts­an­spruch der nichtehelichen Mutter gelte daher allein der Verwir­kungs­maßstab des § 1611 BGB, wonach nur eine "grobe" Unbilligkeit den Wegfall des Unter­halts­an­spruchs rechtfertige. Eine solche ergebe sich nicht daraus, dass die Mutter in einer neuen, nichtehelichen Partnerschaft lebe.

§ 1579 [1] BGB Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit

Ein Unter­halts­an­spruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemein­schaft­lichen Kindes grob unbillig wäre, weil

- 1. [...]

- 2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebens­ge­mein­schaft lebt, [...]

§ 1611 BGB [1] Beschränkung oder Wegfall der Verpflichtung

(1) 1 Ist der Unter­halts­be­rechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unter­halts­pflicht gegenüber dem Unter­halts­pflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unter­halts­pflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unter­halts­pflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. 2 Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

[...]

§ 1615 l BGB [1] Unter­halts­an­spruch von Mutter und Vater aus Anlass der Geburt

(1) 1 Der Vater hat der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren. 2 Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen.

(2) 1 Soweit die Mutter einer Erwer­b­s­tä­tigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren. 2 Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwer­b­s­tä­tigkeit nicht erwartet werden kann. 3 Die Unter­halts­pflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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