21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil09.03.2016

Auch bei unverheiratetem Familienvater ist bei Berechnung von Elternunterhalt dessen Unter­halts­pflicht zu berücksichtigenUnter­halts­pflicht ist als sonstige Verpflichtung vorrangig zu berücksichtigen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine eventuelle Verpflichtung zur Zahlung von Betreu­ungs­un­terhalt nach § 1615 l BGB bei der Bemessung der Leistungs­fä­higkeit nach § 1603 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Elternunterhalt zu berücksichtigen ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Jahre 1941 geborene S. ist der Vater des Antragsgegners. Er wird seit Anfang 2010 von einem Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut und versorgt; er bezieht laufende Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege). Der Sozia­l­hil­fe­träger (Antragsteller) verlangt von dem Sohn (Antragsgegner) aus übergegangenem Recht nach § 94 SGB XII für den Zeitraum ab Januar 2012 Elternunterhalt. Der Antragsgegner lebt in einer nichtehelichen Lebens­ge­mein­schaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin des Antragsgegners ist geschieden. Zwei aus ihrer Ehe stammende minderjährige Kinder leben ebenfalls im gemeinsamen Haushalt.

AG: Antragsgegner kann sich nicht auf erhöhten Selbstbehalt berufen

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Eltern­un­terhalts verpflichtet. Dabei ist es u.a. davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner nicht - wie ein verheirateter Unter­halts­schuldner - auf einen erhöhten Selbstbehalt (Famili­en­selbst­behalt) berufen könne, weil der Antragsgegner seiner Lebensgefährtin nicht zum Famili­en­un­terhalt verpflichtet sei. Das Oberlan­des­gericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts im Wesentlichen bestätigt und die Rechts­be­schwerde zugelassen.

Unter­halts­pflicht ist vorrangig zu berücksichtigen

Der Bundes­ge­richtshof hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Zwar kann sich der Unter­halts­pflichtige, auch wenn er mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind in einer nichtehelichen Lebens­ge­mein­schaft lebt und für den gemeinsamen Unterhalt aufkommt, nicht auf einen Famili­en­selbst­behalt berufen. Eine eventuelle Unterhaltspflicht ist allerdings als sonstige Verpflichtung im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB vorrangig zu berücksichtigen.

OLG muss erneut über möglichen Anspruch auf Betreu­ungs­un­terhalt entscheiden

Weil das Oberlan­des­gericht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit unzutreffenden Erwägungen abgewiesen hat, konnte die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Ist das gemeinsame Kind, wie hier, älter als drei Jahre, steht dem betreuenden Elternteil nach § 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB dann weiterhin ein Anspruch auf Betreu­ungs­un­terhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind kind- und elternbezogene Gründe zu berücksichtigen. Da hier keine kindbezogenen Verlän­ge­rungs­gründe festgestellt sind, kamen lediglich elternbezogene Gründe in Betracht. Solche können bei zusam­men­le­benden Eltern auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwer­b­s­tä­tigkeit gehindert ist. Eine rechts­miss­bräuchliche Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu Lasten des Unter­halts­an­spruchs des Vaters ist hier nicht ersichtlich.

Auf dieser rechtlichen Grundlage wird das Oberlan­des­gericht nun Grund und Höhe eines vorrangig zu berück­sich­ti­genden Anspruchs auf Betreu­ungs­un­terhalt feststellen müssen.

§ 1615 l Abs. 2 BGB:

Soweit die Mutter einer Erwer­b­s­tä­tigkeit nicht nachgeht, weil sie infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit dazu außerstande ist, ist der Vater verpflichtet, ihr über die in Absatz 1 Satz 1 bezeichnete Zeit (drei Jahre) hinaus Unterhalt zu gewähren. Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwer­b­s­tä­tigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unter­halts­pflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

§ 1603 Abs. 1 BGB:

Unter­halts­pflichtig ist nicht, wer bei Berück­sich­tigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII

Hat die leistungs­be­rechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unter­halts­an­spruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unter­halts­recht­lichen Auskunfts­an­spruch auf den Träger der Sozialhilfe über.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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