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- Landgericht Frankfurt am Main, Urteil23.12.2013, 2-18 O 198/12
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil28.09.2016
Wettermoderator Kachelmann hat Anspruch auf Schadenersatz wegen falschen VergewaltigungsvorwurfsEx-Geliebte muss bei Untersuchungshaft entstandene Kosten erstatten
Die beklagte Ex-Geliebte des bekannten Wettermoderators Kachelmann wurde verurteilt Schadenersatz für Kosten, die dadurch entstanden sind, dass er aufgrund eines von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwurfs in Untersuchungshaft genommen wurde, zu leisten. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mitgeteilt.
Im hier vorliegenden Fall hatte die Beklagte den Kläger am 9.2.2010 mit der Behauptung angezeigt, sie am Tag zuvor in ihrer Wohnung vergewaltigt zu haben, indem er ihr ein Küchenmesser an den Hals gedrückt und unter Todesdrohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Infolgedessen erließ das Amtsgericht Mannheim Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen den Kläger, der hierauf am 20.3.2010 auf der Rückreise aus Kanada am Frankfurter Flughafen festgenommen wurde. Auf die Haftbeschwerde K.s hob das OLG Karlsruhe den Haftbefehl am 29.7.2010 auf. Bis dahin hatte sich Kachelmann knapp vier Monate in Untersuchungshaft befunden. In dem anschließenden Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim wurde K. im Mai 2011 freigesprochen, weil die von der Beklagten behauptete Vergewaltigung nicht bewiesen werden konnte.
Kachelmann begehrt u.a. Kostenerstattung für Sachverständige
Mit der vorliegenden Klage fordert Kachelmann von der Beklagten Ausgleich eines Teils des Schadens, der ihm durch die Untersuchungshaft entstanden ist. K. macht geltend, dass er zur Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren mehrere Sachverständige habe beauftragen müssen, um die Glaubwürdigkeit der Beklagten sowie die von ihr vorgezeigten Verletzungen zu entkräften. Insoweit hat der Kläger mit der Klage zunächst Kostenerstattung in Höhe von rund 13.400 € verlangt. In der Berufung hat er die Klage bis auf rund 7.100 € zurückgenommen.
LG: Kein Anspruch auf Kostenerstattung wegen fehlender Voraussetzung für Schadenersatzanspruch wegen Freiheitsberaubung
Das Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, zwar sei Kachelmann durch die Anzeigen der Beklagten in Untersuchungshaft genommen worden - die Beklagte habe ihn also der Freiheit beraubt, indem sie staatliche Organe zum amtlichen Eingreifen veranlasst habe. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft sei jedoch, dass es sich um eine wahrheitswidrige Anzeige gehandelt habe. Der Beklagten könnte aber nicht vorgeworfen werden, dass sie Kachelmann vorsätzlich wahrheitswidrig einer Vergewaltigung bezichtigt habe mit dem Ziel, diesen seiner Freiheit zu berauben. Es sei möglich, dass die Beklagte durch "nicht intentionale Verfälschungs- und Verzerrungseffekte" subjektiv der festen Überzeugung gewesen sei, Opfer einer Vergewaltigung gewesen zu sein, obwohl dies objektiv nicht der Fall war.
OLG: Schadenersatzpflicht wegen wissentlich unwahrer Strafanzeige
Gegen die Klageabweisung hat K. Berufung eingelegt. Das OLG hat eine Beweisaufnahme durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens angeordnet, insbesondere zu der Frage, ob sich die Beklagte die im Zuge der Strafanzeige festgestellten Verletzungen selbst zugefügt haben kann.
Mit dem heutigen Urteil hat das OLG die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und Kachelmann den begehrten Schadenersatz zugesprochen, soweit er die Klage nicht zurückgenommen hat. Die Beklagte habe sich gegenüber dem Kläger schadenersatzpflichtig gemacht, weil sie wissentlich eine unwahre Strafanzeige erstattet und so - wie von ihr beabsichtigt - die Anordnung der Untersuchungshaft gegen Kachelmann herbeigeführt habe. Hierdurch habe sich die Beklagte der Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Die erlittene Freiheitsentziehung beruhe zwar unmittelbar auf dem Haftbefehl; die Beklagte müsse sich jedoch das staatliche Handeln im Wege der mittelbaren Täterschaft zurechnen lassen, da sie die Ermittlungsbehörden durch die wahrheitswidrige Anzeige und falsche Aussagen vorsätzlich getäuscht habe. Die Überzeugung, dass die Beklagte Kachelmann vorsätzlich der Wahrheit zuwider der Vergewaltigung bezichtigt habe, gründe sich auf das Ergebnis der in der Berufung durchgeführten Beweisaufnahme. Hiernach habe sich die Behauptung des Klägers bestätigt, die Beklagte habe sich die festgestellten Verletzungen selbst zugefügt.
Keine Übereinstimmung der Verletzungen mit geschildertem Vergewaltigungsgeschehen
So spreche das Verletzungsbild in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Schilderungen der Beklagten nach den Feststellungen des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main für eine Selbstbeibringung. Bedeutsam sei ferner, dass die Schilderungen der Beklagten zum angeblichen Vergewaltigungsgeschehen nicht mit den Verletzungen in Übereinstimmung zu bringen seien und ihre Aussagen für sich genommen erhebliche Plausibilitätsdefizite aufwiesen. Zudem habe die Beklagte im Ermittlungsverfahren unstreitig teilweise falsch ausgesagt.
OLG schließt "Autosuggestion" der Beklagten aus
Die Beklagte habe auch mit direktem Vorsatz gehandelt. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass es ihr gerade darauf angekommen sie, die Verhaftung des Klägers herbeizuführen. Für ausgeschlossen hielt das OLG, dass bei der Beklagten eine "Autosuggestion" vorlag, die dazu geführt habe, dass sie nur glaubte, vergewaltigt worden zu sein. Die entsprechende Annahme des Landgerichts sei nicht nur spekulativ, sondern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach sich die Beklagte die Verletzungen selbst zufügte, auch widerlegt.
Erläuterungen
HintergrundinformationDas Zivilgericht ist grundsätzlich nicht an Feststellungen aus rechtkräftigen Strafurteilen gebunden. Die im Strafprozess getroffenen Feststellungen können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Zivilgerichts berücksichtigt werden, sofern sich eine Partei auf das Strafurteil beruft. Das Zivilgericht darf die Feststellungen jedoch nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss sie einer eigenen kritischen Prüfung innerhalb der Beweiswürdigung unterziehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2016
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ ra-online
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