23.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss25.09.2019

VW haftet bei Verkauf von Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 wegen vorsätzlicher sittenwidriger SchädigungFahrzeugkäufer muss sich bei Rückerstattung des Kaufpreises Wertminderung für Nutzungszeit anrechnen lassen

Die Volkswagen AG haftet dem Grunde nach Käufern von Fahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal. Verlangt der Käufer Rückerstattung des Kaufpreises, muss er sich die während der Nutzungszeit eingetretene Wertminderung eines vergleichbaren mangelfreien Fahrzeugs auf den Schaden anrechnen lassen (Vorteils­aus­gleichung). Die Höhe dieser Wertminderung ist durch ein Sachver­ständigen­gut­achten zu klären. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls hatte im Mai 2009 einen VW Tiguan 2, l TDI gekauft. Das Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 ausgestattet. Unter Berufung auf den sogenannten Dieselskandal begehrt der Kläger von der VW AG Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs.

OLG bejaht Schaden­s­er­satz­an­spruch aufgrund sittenwidriger Schädigung

Das Landgericht Hanau wies die Klage ab. Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main stellte in seiner Entscheidung zunächst fest, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) gegen die VW AG zustehe. Die Entwicklung und das Inver­kehr­bringen des mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs, das zur Erlangung einer EG-Typgenehmigung mit einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung versehen war, stelle eine sittenwidrige Handlung der VW AG dar. Manipulationen und falsche Angaben, mit denen gegenüber Behörden die Einhaltung rechtlicher Vorgaben vorgespiegelt werden sollen, können eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Dritten - hier des Käufers - begründen, führt das Oberlan­des­gericht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs aus. Voraussetzung sei, dass die Vermö­gen­s­in­teressen unbeteiligter Dritter, hier der Käufer, sehenden Auges gefährdet würden, darin eine besondere Beden­ken­lo­sigkeit ihnen gegenüber zum Ausdruck komme und die Sitten­wid­rigkeit gerade im Verhältnis zum Geschädigten bestehe. Dies sei hier der Fall. Durch die Abschalt­ein­richtung sei unschwer erkennbar die Betrie­bs­er­laubnis der Fahrzeuge bedroht gewesen. Die Gefährdung sei auch nicht lediglich eine zufällige Beglei­t­er­scheinung des Handelns gewesen. Die Beklagte habe davon profitiert, dass es sich bei einem Auto um einen Alltags­ge­genstand handele, bei dem das Zustandekommen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen und der diesen zugrunde liegenden Messwerte vom angesprochenen Publikum regelmäßig nicht hinterfragt würden.

Schaden entfällt nicht durch Aufspielen des Software-Updates

Der Kläger habe auch einen Schaden erlitten. Unabhängig vom tatsächlichen wirtschaft­lichen Wert des erworbenen Fahrzeugs sei er durch die Verpflichtung zur Auszahlung des Kaufpreises belastet und solle dafür ein Fahrzeug mit einer nicht geset­zes­kon­formen Motor­steu­e­rungs­software erhalten, die die Zulas­sungs­fä­higkeit von Anfang an in Frage gestellt habe, konstatiert das Oberlan­des­gericht. Da für den Schaden­s­eintritt der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs maßgeblich sei, sei der Schaden auch nicht später durch das Aufspielen des Software-Updates entfallen.

Beklagte muss sich Handeln der Vorstands­mit­glieder zurechnen lassen

Die Vorschriften über die Typgenehmigung hätten eine marktsteuernde Zielrichtung, so dass der Makel der Typgenehmigung auf die zivilrechtlich geschlossenen Verträge durchschlage. Die Erwerber unterfielen damit dem Schutzbereich dieser Vorschriften. Die Beklagte habe auch nicht auf einen glücklichen Ausgang in Bezug auf die Zulas­sungs­fä­higkeit vertrauen können, so dass vorsätzliches Handeln gegeben sei. Hierbei müsse sich die Beklagte das Handeln ihrer Vorstands­mit­glieder zurechnen lassen.

Höhe des anzurechnenden Wertverlusts ist von Sachver­ständigem zu ermitteln

Der Kläger könne damit grundsätzlich den gezahlten Kaufpreis zurückverlangen gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Höhe nach sei die Sache allerdings noch nicht entschei­dungsreif. Aufgrund des schadens­recht­lichen Berei­che­rungs­verbots müsse sich der Käufer die Vorteile, die er durch den Besitz des Fahrzeugs gehabt hat, anrechnen lassen. Hier habe er jedenfalls Aufwendungen in Form des Wertverlusts, den er ansonsten bei einem alternativ angeschafften Fahrzeug erlitten hätte, erspart. Die Höhe des anzurechnenden Wertverlusts eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Abschalt­ein­richtung während der hier maßgeblichen Laufleistung von über 135.000 km sei von einem Sachver­ständigen zu ermitteln.

Erläuterungen:

§ 826 BGB Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Erläuterungen

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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