21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil25.01.2024

Facebook haftet für rechtswidrige Inhalte - Erfolg für Renate Künast im Rechtsstreit mit FacebookFacebook muss ein Meme mit einem Falschzitat von Renate Künast in allen Varianten löschen

Die konkrete Kenntnis eines rechts­ver­let­zenden Posts (hier: Falschzitat) verpflichtet einen Platt­form­be­treiber - hier Meta -, auch andere sinngleiche Äußerungen zu löschen. Der Umstand, dass die Bewertung automatisiert aufgefundener sinngleicher Äußerungen teilweise einer kontext­ge­bundenen menschlich-händischen Überprüfung bedarf, führt nicht zur Unzumutbarkeit. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute Entscheidung den eingeklagten Unterlassungs­anspruch.

Die Klägerin ist Politikerin und für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Sie wendet sich u.a. gegen ein sog. Meme, das über die von der Beklagten betriebene Plattform Facebook gepostet wurde. Es zeigt die Klägerin mit Bild und unter Nennung ihres Vor- und Zunamens sowie der als Zitat gekenn­zeichneten Äußerung: „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“. Diese Äußerung hat die Klägerin unstreitig nie getätigt. Das Landgericht hatte die Beklagte hinsichtlich dieses Meme verpflichtet, es zu unterlassen, identisch oder kerngleiche Inhalte auf der Plattform öffentlich zugänglich zu machen und sie zudem zur Zahlung einer Geldent­schä­digung in Höhe von 10.000,00 € verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte nur hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung einer Geldent­schä­digung, nicht aber hinsichtlich der Unter­las­sungs­ver­pflichtung Erfolg.

Facebook haftet für rechtswidrige Inhalte

Das Landgericht habe der Klägerin zutreffend einen Unter­las­sungs­an­spruch zuerkannt, bestätigte das OLG. Das Falschzitat stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Klägerin dar. Es verletze sie in ihrem Recht am eigenen Wort. Die Beklagte hafte als so genannte mittelbar verantwortliche Störerin auch dafür, dass sie es zu unterlassen habe, alle weiteren identischen oder kern- bzw. sinngleichen Posts zu diesem Post zu löschen, betonte das OLG. Durch die mit anwaltlichem Schreiben erfolgte Übermittlung der konkreten URLs hinsichtlich der von der Klägerin angegriffenen Posts habe die Beklagte unmittelbar Kenntnis von der Rechts­ver­letzung erlangt. Zudem werde in dem Schreiben definiert, was die Klägerin unter sinngleich verstehe. Diese Kenntnis und Information habe eine Prüf- und Verhal­tenspflicht hinsichtlich der Existenz sinngleicher Inhalte ausgelöst, die ebenfalls zu löschen gewesen wären. Die Beklagte treffe - nach der E-Commerce-Richtlinie - zwar keine allgemeine Überwachungs- und aktive Nachfor­schungs­pflicht hinsichtlich rechtswidriger Inhalte. Die konkrete Kenntnis der Rechts­ver­letzung verpflichte die Beklagte jedoch, künftig derartige Störungen zu verhindern. Dies gelte nicht nur für wortgleiche Inhalte, sondern auch dann, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Äußerung seien.

Menschlich-händische Einzel­fa­ll­be­wertung in Kombination mit technischen Verfahren automatisch erkannter bereits hochgeladener Inhalte zumutbar

Bei der Nachforschung nach derartigen sinngleichen Äußerungen müsse zwar nach der Rechtsprechung des EuGH aus Gründen der Zumutbarkeit auf „automatisierte Techniken und Mittel“ zurückgegriffen werden können. Dies sei hier jedoch auch grundsätzlich der Fall. Der Umstand, dass es in Fällen der Wiedergabe des Meme mit eigenen Zusätzen (sog. Caption) einer Sinndeutung bedürfe, so dass nicht rein automatisiert vorgegangen werden könne, stehe dem nicht entgegen. Der Senat fordere keine - europa­rechts­widrige - autonome rechtliche Prüfung des Inhalts solcher Posts, die sich vom Ursprungspost lösen. Der Beklagten werde nur die Beurteilung auferlegt, ob die Unterschiede aufgrund der abweichenden Gestaltung gegenüber dem Meme nach dem Verständnis eines durch­schnitt­lichen Empfängers bewirkten, dass erkennbar werde, dass ein Falschzitat vorliege oder nicht. Diese menschlich-händische Einzel­fa­ll­be­wertung sei in Kombination mit technischen Verfahren automatisch erkannter bereits hochgeladener Inhalte zumutbar. Im Übrigen könne mithilfe des Einsatzes sog. KI-Systeme eine weitere automatische Vorfilterung erfolgen. Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf Geldent­schä­digung zu. Dabei könne offenbleiben, ob bei einer hartnäckigen Verweigerung, einem Unter­las­sungs­an­spruch nachzukommen, ein solcher Anspruch begründet sei. Hier fehle es jedenfalls an einer solchen hartnäckigen Verweigerung.

Entscheidung noch nicht rechtskräftig

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als sog. Hostprovider eine Prüf- und Verhal­tenspflicht in Bezug auf sinngleiche Inhalte treffe, die Revision zugelassen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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