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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil06.09.2018

Löschungs­an­spruch nach der DSGVO gegen Google setzt umfassende Inter­es­se­n­ab­wägung voraus"Recht auf Vergessen" überwiegt nicht das grundsätzliche öffentliche Informations­interesse

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass es Google nicht generell untersagt werden darf, ältere negative Presseberichte über eine Person in der Trefferliste anzuzeigen, selbst wenn diese Gesund­heitsdaten enthalten. Es komme auch nach Inkrafttreten der DSGVO darauf an, ob das Interesse des Betroffenen im Einzelfall schwerer wiegt als das Öffentlichkeits­interesse. Das durch die DSGVO anerkannte "Recht auf Vergessen" überwiegt entgegen einer Entscheidung des EuGH zum früheren Recht nicht grundsätzlich das öffentliche Informations­interesse.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls war Geschäftsführer einer bekannten gemeinnützigen Organisation. Diese wies im Jahre 2011 ein erhebliches finanzielles Defizit auf. Kurz zuvor hatte der Kläger sich aus gesund­heit­lichen Gründen krankgemeldet. Die Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage, teilweise unter namentlicher Nennung des Klägers sowie der Tatsache, dass er sich aus gesund­heit­lichen Gründen nicht im Dienst befinde. Die in den USA-ansässige Beklagte betreibt die Suchmaschine "Google" (Google). Der Kläger begehrt nunmehr von Google, es zu unterlassen, bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen, fünf konkrete sogenannte URL bei den Suchergebnissen in Deutschland anzuzeigen, die zu entsprechenden Presseberichten führen.

Anony­mi­täts­in­teresse des Klägers muss noch hinter Interesse der Öffentlichkeit an Zurver­fü­gung­s­tellung von Berichten zurücktreten

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Der Kläger könne sich im Ergebnis nicht auf einen Unterlassungsanspruch aus Art. 17 DSGVO berufen, so das Oberlan­des­gericht. Das amerikanische Unternehmen Google müsse zwar die Vorgaben der DSGVO einhalten, wenn Daten von Personen in der EU verarbeitet werden. Der in Art. 17 DSGVO geregelte Löschungs­an­spruch umfasse auch den hier geltend gemachten Unter­las­sungs­an­spruch. Es bestehe aber kein Löschungsgrund nach Art. 17 DSGVO. Abzuwägen seien hier das klägerische Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung mit dem Recht von Google und seinen Nutzern auf Kommu­ni­ka­ti­o­ns­freiheit. Jedenfalls "noch" müsse hier das Anony­mi­täts­in­teresse des Klägers hinter das Interesse der Öffentlichkeit an der weiteren Zurver­fü­gung­s­tellung der Berichte zurücktreten.

Google ist nicht zu präventiven Kontrollen von Daten verpflichtet

Die verlinkten Artikel enthielten zwar teilweise sensible Daten des Klägers, soweit es sich um Gesund­heitsdaten handele. Auch deren Schutz gehe jedoch nur so weit, wie er "erforderlich" sei. Dabei sei zu beachten, dass Suchma­schi­nen­be­treiber wie Google aufgrund ihrer besonderen Stellung erst dann handeln müssten, wenn sie durch "einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offen­sicht­lichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts [...] durch den Inhalt einer in der Ergebnisliste der Suchmaschine nachgewiesenen Internetseite erlangt haben". Zu einer präventiven Kontrolle sei Google nicht verpflichtet. An einer derartigen Rechts­ver­letzung fehle es hier. Die ursprüngliche Berich­t­er­stattung sei rechtmäßig gewesen. Es habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden. Dies treffe auch auf die gesund­heits­be­zogenen Angaben des Klägers zu. Sie erklärten, aus welchen Gründen er zu Mitarbeit in der Krise nicht zur Verfügung gestanden habe.

Entscheidung des EuGH zum "Recht auf Vergessen" bezog sich nicht auf vergleichbaren presse­recht­lichen Sachverhalt

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem vom EuGH erstmals anerkannten "Recht auf Vergessenwerden". Der Ablauf von sechs bis sieben Jahren seit der Veröf­fent­lichung der Artikel lasse nicht eindeutig auf die Erledigung jeglichen Infor­ma­ti­o­ns­in­teresses schließen. Der EuGH habe zwar in einer Entscheidung vor Erlass der DSGVO angenommen, dass grundsätzlich das Interesse eines Betroffenen, nicht mehr namentlich genannt zu werden, dass Interesse an der fortbestehenden Verlinkung überwiege (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 13.05.2014 - C-131/12 -). Lediglich in Ausnahmefällen könne, so der EuGH, der Grund­recht­s­eingriff durch ein überwiegendes Interesse einer breiten Öffentlichkeit gerechtfertigt sein. Das Oberlan­des­gericht betont jedoch, dass sich diese Entscheidung nicht auf einen vergleichbaren presse­recht­lichen Sachverhalt bezogen habe. Zudem finde sich das vom EuGH angenommene "Regel-Ausnahme-Verhältnis" nicht im Regelungsgefüge der DSGVO wider; die Entste­hungs­ge­schichte spreche ebenfalls gegen eine Übertragung.

Der "Abwägungs­me­cha­nismus" des EuGH könne demnach auf die DSGVO nicht "schematisch" angewendet werden; es müsse vielmehr "mit Vorsicht den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung" getragen werden.

Gericht verneint Unter­las­sungs­an­spruch

Aus den dargestellten Gründen könne der Kläger sich auch nicht auf einen Unter­las­sungs­an­spruch wegen der unerlaubten Beein­träch­tigung seines Persön­lich­keits­rechts berufen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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