Das Gericht wies mit diesem Argument die Berufung einer Reisegruppe zurück, die mit ihrer Schadensersatzklage gegen die betroffene Fluggesellschaft gescheitert war. Die Reisegruppe von 146 Personen war noch vor dem Start des Flugzeugs in Brasilien von Bord der Maschine verwiesen worden. Grund war, dass ihre Mitglieder nicht der Aufforderung, sich für den Startvorgang auf ihren Platz zu setzen und sich anzuschnallen, nachgekommen waren.
Zumindest ein Teil der Reisegruppe stand nach Beginn des Startvorgangs wieder von den Sitzen auf und weigerte sich trotz wiederholter Aufforderungen, sich wieder hinzusetzen. Der Flugkapitän forderte die betroffenen Fluggäste auf, sich entweder zu setzen und anzuschnallen oder aber auszusteigen. Nachdem sie beides verweigerten, wies sie der Kapitän von Bord und setzte den Flug ohne die Reisegruppe fort. Die Reisegruppe verlangte daraufhin ihre Kosten für Ersatztickets und Transferkosten in Höhe von insgesamt 116.567,47 € von der Fluggesellschaft ersetzt. Die Klage wurde abgewiesen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt begründete seinen Beschluss damit, dass ein fehlerhaftes Verhalten des Flugkapitäns nicht zu erkennen sei. Die Reisegruppe übersehe in ihrer Klage, dass in dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis über den Flug nicht nur die Fluggesellschaft Leistungen zu erbringen hatte. Vielmehr schuldeten auch die Fluggäste ein Verhalten, dass die vertragsgerechte Beförderung überhaupt erst ermöglichte. Dazu gehöre angesichts der flugtechnischen Sicherheitsbestimmungen insbesondere die Pflicht, sich auf den zugewiesenen Platz zu setzen, sich anzuschnallen und zunächst angeschnallt zu bleiben.
Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass in einem Teil der Boeing zu Beginn des Startvorgangs ein auffallender Geruch zu bemerken gewesen sei. Denn wenn die Fluggäste deshalb beängstigt gewesen seien, hätten sie von der ihnen ausdrücklich eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen können, auszusteigen. Den Transport der flugwilligen Gäste hätten sie demgegenüber auf keinen Fall blockieren oder zeitlich beeinträchtigen dürfen.
Der Flugkapitän hat während des Fluges auf Grund ihm verliehener, luftpolizeilicher Hoheitsgewalt sowie aufgrund des von ihm ausgeübten Hausrechts die geeigneten Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord zu treffen. Sein abschließendes Einschreiten sei geboten und vertraglich gerechtfertigt gewesen. Dabei sei entscheidend zu berücksichtigen, dass sich der Reiseleiter der Gruppe an ihn gewandt und erklärt hatte, er habe seine Reisegruppe "nicht mehr im Griff". Wenn das Flugzeug abfliege, werde es zu einer "Panik" kommen.
Der Flugkapitän habe trotz intensiver Bemühungen, Lautsprecherdurchsagen und Gesprächen mit einer im Flur des Flugzeugs stehenden Gruppe von mindestens 20 Personen nicht mehr anders für Ruhe sorgen können. Zeitintensive Nachforschungen über die Flugbereitschaft einzelner Mitglieder seien nicht möglich und geschuldet gewesen. Flugwillige Gäste hätten sich als solche zu erkennen geben und von den übrigen Gruppenmitgliedern distanzieren müssen. Dies gelte insbesondere in Anbetracht der entgleisten Diskussionen, die dazu führten, dass der Flugkapitän sogar Angst um seine eigene Person habe haben müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2011
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Frankfurt am Main (vt/we)