Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil01.11.2011
Perlentaucher.de - Abstracts zu Buchrezensionen können im Einzelfall gegen Urheberrecht verstoßenÜbernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen stellten unzulässige "unfreie" Bearbeitung im Sinne des Urhebergesetzes dar
Eine komprimierte Wiedergabe von Buchrezensionen Dritter im Internet verstößt dann gegen das Urheberrecht, wenn die so genannten Abstracts mehr oder weniger aus einer Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen bestehen, von denen lediglich einige Sätze ausgelassen werden. Abstracts dieser Art stellten eine unzulässige "unfreie" Bearbeitung im Sinne des Urhebergesetzes dar. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.
Die Klägerinnen des zugrunde liegenden Falls verlegen namhafte Tageszeitungen, in denen auch Buchrezensionen veröffentlicht werden. Die Beklagte stellt auf ihrer Webseite "perlentaucher.de" Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vor und spricht Empfehlungen aus. Dabei veröffentlicht sie auch Buchrezensionen aus den von den Klägerinnen verlegten Zeitungen in komprimierter Fassung. Diese so genannten "Abstracts" werden von den Mitarbeitern der Beklagten formuliert, enthalten aber einzelne Zitate und Passagen aus den Originalkritiken.
Klägerinnen sehen sich durch Veröffentlichung der Abstracts in Urheberrechten verletzt
Die Klägerinnen halten dies für unzulässig und haben mit den vorliegenden Klagen in der Hauptsache ein generelles Verbot derartiger Abstracts verlangt, hilfsweise die Untersagung von Abstracts mit Originalzitaten sowie bestimmter konkreter Abstracts. Nach Ansicht der Klägerinnen verletzen die Abstracts wegen des Umfangs der Übernahme von Formulierungen aus den Originalrezensionen ihre Urheberrechte.
LG und OLG weisen Klage zunächst vollständig zurück
Das in erster Instanz zuständige Landgericht hatte die Klagen abgewiesen. Auch die dagegen eingelegten Berufungen hatten keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Berufungen im Dezember 2007 zunächst vollständig zurück.
BGH: Urheberrechte der Klägerinnen durch Übernahme der Rezensionen im konkreten Einzelfall eventuell verletzt – OLG muss erneut prüfen
In der Revision bestätigte der Bundesgerichtshof am 1. Dezember 2010, dass die Klägerinnen kein generelles Verbot der Verwendung ihrer Buchrezensionen verlangen können. Es sei urheberrechtlich grundsätzlich zulässig, den Inhalt eines Schriftwerks in eigenen Worten zusammenzufassen und diese Zusammenfassungen zu verwerten. Anders als die Vorinstanzen vertrat der Bundesgerichtshof aber die Auffassung, dass die Übernahme der Rezensionen im konkreten Einzelfall die Urheberrechte der Klägerinnen verletzten könnte. Der Bundesgerichtshof hob deshalb die Berufungsurteile teilweise auf und wies das Oberlandesgericht an zu prüfen, ob die Verbreitung einzelner konkreter Abstracts der Beklagten das Urheberrecht der Klägerinnen verletzen.
OLG bejaht Urheberrechtsverletzung in einigen konkreten Fällen
In den aktuellen Berufungsurteilen kommt das Oberlandesgericht nunmehr zu dem Ergebnis, dass tatsächlich bestimmte Perlentaucher-Kritiken, die im Dezember 2004 erschienen waren und von den Klägerinnen konkret benannt werden, ihr Urheberrecht verletzten. Diese Abstracts bestünden mehr oder weniger aus einer Übernahme von besonders prägenden und ausdrucksstarken Passagen der Originalrezensionen, von denen lediglich einige Sätze ausgelassen worden seien. Sie stellten deshalb eine unzulässige "unfreie" Bearbeitung im Sinne des Urhebergesetzes dar und hätten ohne die Einwilligung der Klägerinnen nicht übernommen werden dürfen. In diesem - eingeschränkten - Umfang gab das Oberlandesgericht den Berufungen deshalb statt und änderte die vorausgegangenen Urteile des Landgerichts ab.
Allgemeine Aussage über urheberrechtlich zulässigen Umfang für Übernahme von Buchrezensionen nicht möglich
Die Verurteilung der Beklagten lässt keine allgemeine Aussage darüber zu, in welchem Umfang die Übernahme von Buchrezensionen urheberrechtlich zulässig ist. Jede Übernahme oder Verarbeitung muss vielmehr im Einzelfall daraufhin überprüft werden, ob sie eine zulässige freie Bearbeitung des Originaltextes darstellt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.11.2011
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online