23.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil18.04.2019

Urheber­recht­liches Zitatrecht kann auch umfangreiche schriftliche Zitate eines mündlichen Vortrags deckenZitat in Schriftform setzt nicht Erst­veröf­fent­lichung ebenfalls in Schriftform voraus

Hält ein Autor eine frei zugängliche Vorlesung, können auch umfangreiche Zitate aus dieser Rede innerhalb einer sich mit dieser Vorlesung auseinander­setzenden Berich­t­er­stattung zulässig sein. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung von Zitaten (§ 51 UrhG) sind über die gesetzlichen Anforderungen hinaus nicht davon abhängig, ob das in öffentlicher Rede gehaltene Sprachwerk vor der Zitierung schriftlich erschienen ist. Das gilt auch, wenn das Sprachwerk die Intimsphäre des Urhebers betrifft. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist Schriftsteller, die Beklagte ist ein Presse­un­ter­nehmen und betreibt ein Onlinemedium. Der Kläger hielt im Frühjahr 2018 im Rahmen einer Gastdo­zen­ten­tä­tigkeit eine frei zugängliche Vorlesung. Die Beklagte berichtete am Folgetag ausführlich über diesen Vortrag. Dabei gab sie in mehreren Textblöcken wörtliche Zitate aus der Rede wieder, in denen auch persönliche Erlebnisse des Klägers geschildert worden waren. Der Kläger begehrte im Eilverfahren, der Beklagten die Verviel­fäl­tigung und Verbreitung konkreter Textpassagen mit seinen Zitaten zu untersagen.

OLG: Wiedergegebene Textpassagen von urheber­recht­lichem Zitatrecht geschützt

Das Landgericht gab diesem Antrag statt. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hob auf die Berufung der Beklagten hin die einstweilige Verfügung auf. Die Berichterstattung sei rechtmäßig, stellte das Oberlan­des­gericht fest. Die wiedergegebenen Textpassagen seien zwar als Sprachwerke urheber­rechtlich geschützt. Die Veröf­fent­lichung sei jedoch über das sogenannte urheber­rechtliche Zitatrecht (§ 51 UrhG) gerechtfertigt. Der Kläger habe selbst das Sprachwerk in freier Rede der Öffentlichkeit in Gestalt der Zuhörer seiner Vorlesung zugänglich gemacht, so das Gericht. Ein Zitat in Schriftform - wie hier - setze nicht voraus, dass die Erstver­öf­fent­lichung ebenfalls in Schriftform erfolgte. Die Beklagte habe die Zitate auch im Rahmen eines Artikels verwendet, der seinerseits ein eigentümliches und originelles Sprachwerk darstelle. Schließlich sei die Wiedergabe der Textteile durch den zulässigen Zitatzweck gedeckt.

Artikel gibt nicht lediglich Kern des Vortrags wieder

Die Zitatfreiheit solle die geistige Ausein­an­der­setzung mit fremden Werken erleichtern, betonte das Oberlan­des­gericht. Sie gestattet es nicht, ein fremdes Werk nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen. Der Zitierenden müsse eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk und den eigenen Gedanken herstellen und das Zitat als Belegstelle oder Erörte­rungs­grundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheinen lassen, so das Gericht. Dies sei hier der Fall. Der Artikel gebe nicht lediglich den Kern des Vortrags wieder. Er beschreibe vielmehr in eigener Art und Weise, wie der Kläger private Umstände im Rahmen seines Vortrags offenbarte und welche Reaktionen und Fragen er damit beim Publikum und der Autorin des Artikels auslöste. Die Wiedergabe der Textstellen diene damit nicht lediglich der Illustration der Berich­t­er­stattung, sondern beschreibe und erläutere sie und ermögliche es dem Leser, die Einordnungen der Autorin selbst nachvollziehbar zu machen und sich mit ihnen ausein­an­der­zu­setzen, urteilt das Oberlan­des­gericht.

Voraussetzungen für rechtmäßige Zitierung erfüllt

Der Umfang der hier verwendeten Zitate sei ebenfalls noch vom Zitatrecht gedeckt. Zulässig sei das Zitieren in einem insgesamt vernünftigen und sachgerechten Umfang unter Berück­sich­tigung der Einzel­fa­l­lum­stände. Dieser Rahmen werde hier eingehalten. Der Artikel stelle den Versuch dar, sich dem Kläger anzunähern, ihn und sein Leben, insbesondere sein literarisches Schaffen, gerade im Hinblick auf die in der Vorlesung wiedergegebenen Geschehnisse zu verstehen und zu überdenken, so das Gericht. Die Zitate seien hier in die Darstellungen und Erläuterungen der Autorin auf verschiedenen Ebenen einbezogen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden. Der Artikel reihe die Zitate gerade nicht lediglich aneinander, sondern folge einer eigenen Dramaturgie. Insgesamt lägen damit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Zitierung nach § 51 UrhG vor, die nach dem Gesetz auch nicht anderen Anforderungen unterliege, wenn der Urheber sich - wie hier - entschlossen habe, ein seine Intimsphäre berührendes Sprachwerk zu veröffentlichen.

Erläuterungen:

§ 51 [1] UrhG Zitate

Erläuterungen

1 Zulässig ist die Verviel­fäl­tigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröf­fent­lichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. 2 Zulässig ist dies insbesondere, wenn

1. einzelne Werke nach der Veröf­fent­lichung in ein selbständiges wissen­schaft­liches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,

2. Stellen eines Werkes nach der Veröf­fent­lichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,

3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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