21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil17.12.2015

Übernahme von Exklu­si­v­in­terviews in Fernseh­sen­dungen kann unter Berufung auf das Zitatrecht zulässig seinBundes­ge­richtshof zur Übernahme von Teilen eines Exklu­si­v­in­terviews in Fernseh­sen­dungen eines konkurrierenden Senders

Der Bundes­ge­richtshof hatte über die Frage der Zulässigkeit der Übernahme von Teilen eines Exklu­si­v­in­terviews in Fernseh­sen­dungen eines konkurrierenden Senders zu entscheiden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien sind private Fernse­hun­ter­nehmen. Die Klägerin führte Exklu­si­v­in­terviews mit Liliana M. über sich und ihre Ehe mit dem ehemaligen Fußba­ll­na­ti­o­nal­spieler Lothar M. Die Klägerin strahlte die Interviews am 26. Juli 2010 sowie am 2. August 2010 in ihrer Sendung "STARS & Stories" aus. Nachdem die Beklagte sich zuvor jeweils vergeblich bei der Klägerin um eine Zustimmung zu der Nutzung dieser Interviews bemüht hatte, verwendete sie daraus verschiedene Ausschnitte unter Angabe der Quelle am 1. und 3. August 2010 in ihrer Sendung "Prominent".

Vorinstanzen geben Schaden­s­er­satzklage statt

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Schutzrechte als Sende­un­ter­nehmen. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung der Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten begehrt. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Übernahme von Teilen des Origi­nal­in­terviews greift in Leistungs­schutzrecht der Klägerin ein

Auf die gegen das Urteil des Oberlan­des­ge­richts eingelegte Revision der Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat angenommen, dass die Beklagte durch die Übernahme von Teilen der von der Klägerin in den Sendungen "STARS & stories" ausgestrahlten Interviews in das der Klägerin als Sende­un­ter­nehmen zustehende Leistungs­schutzrecht eingegriffen hat. Die vom Oberlan­des­gericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht seine Annahme, die Eingriffe in das Leistungs­schutzrecht der Klägerin habe die Beklagte widerrechtlich vorgenommen.

Einholen der Zustimmung der Klägerin für Ausstrahlung des Bildmaterials für Beklagte zumutbar

Allerdings kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die urheber­rechtliche Schran­ken­re­gelung der Berich­t­er­stattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG)* berufen. Diese Schran­ken­re­gelung soll die anschauliche Berich­t­er­stattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmung des Rechteinhabers noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Nutzung geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt. Im Streitfall war es der Beklagten jedoch möglich und zumutbar, vor der Übernahme des in Rede stehenden Bildmaterials um die Zustimmung der Klägerin nachzusuchen. Zudem erlaubt § 50 UrhG keine Berich­t­er­stattung, die die urheber­rechtlich geschützte Leistung - hier die Inter­vie­w­sen­dungen der Klägerin - selbst zum Gegenstand hat. Die Leistung muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten.

Berufen auf Zitatrecht im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen

Aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beklagte auf das Zitatrecht (§ 51 UrhG)** berufen kann. Entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts ist es für das Eingreifen dieser Schutzschranke nicht erforderlich, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk ausein­an­dersetzt. Es reicht aus, dass das fremde Werk als Erörte­rungs­grundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. Dies ist im Streitfall zu bejahen, weil die Sendungen der Beklagten die Selbst­in­sze­nierung von Liliana M. in den Medien zum Gegenstand hatten und die übernommenen Inter­vie­w­aus­schnitte hierfür als Beleg verwendet wurden. Die weitere Annahme des Oberlan­des­ge­richts, das Eingreifen des Zitatrechts scheide außerdem aus, weil die Beklagte die Schlüsselszenen der Interviews übernommen und daher die Möglichkeit der Klägerin wesentlich erschwert habe, die ihr exklusiv gewährten Interviews kommerziell umfassend auszuwerten, wird durch die Feststellungen, die das Oberlan­des­gericht getroffen hat, nicht getragen. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen das Oberlan­des­gericht die übernommenen Szenen als den für die nachfolgende Verwertung maßgeblichen Kern der Interviews beurteilt hat. Das Oberlan­des­gericht hat außerdem keinen Feststellungen dazu getroffen, ob und wenn ja aus welchen Gründen der Fernseh­zu­schauer die von der Beklagten übernommenen Sequenzen als Schlüsselszenen der von der Klägerin geführten Interviews erkennen und aus diesem Grund sein Interesse an der Wahrnehmung der vollständigen Interviews auf dem Sender der Klägerin verlieren wird. Die Sache ist deshalb an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen worden, das die notwendigen Feststellungen nachholen muss.

* § 50 UrhG lautet:

Zur Berich­t­er­stattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Verviel­fäl­tigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

** § 51 UrhG lautet:

Zulässig ist die Verviel­fäl­tigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröf­fent­lichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. [... ]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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