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- Vollstreckung eines ausländischen Gerichtsurteils darf im Inland wegen Verstoßes gegen das Recht der freien Meinungsäußerung und gegen die Medienfreiheit abgelehnt werdenBundesgerichtshof, Beschluss19.07.2018, IX ZB 10/18
- Strafvollstreckung eines ausgewiesenen Straftäters ist nach Wiedereinreise fortzusetzenOberlandesgericht Hamm, Beschluss18.06.2013, 1 VAs 32/13
Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss20.09.2018
Chilenisches Urteil gegen ehemaligen Arzt der "Colonia Dignidad" in Deutschland nicht vollstreckbarUrteil erfüllt nach deutschem Recht nicht tatbestandliche Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Vergewaltigung bzw. zum sexuellen Missbrauch oder wegen Strafvereitelung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass eine Vollstreckung der chilenischen Strafurteile gegen Dr. Hartmut Hopp in Deutschland nicht zulässig ist. Hopp war in Chile wegen der Unterstützung des Gründers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, bei der Vergewaltigung von Minderjährigen unter zwölf Jahren in vier Fällen und bei dem sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in 16 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt worden. Für die Vollstreckung der ausländischen Freiheitsstrafe im Inland hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf zu überprüfen, ob die in den chilenischen Urteilen getroffenen Tatsachenfeststellungen ausreichend sind, um auch nach deutschem Recht eine Strafbarkeit zu begründen. Das ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts jedoch nicht der Fall.
Nach den Tatsachenfeststellungen der chilenischen Urteile hatte Dr. Hartmut Hopp im Tatzeitraum von 1993 bis 1997 als Arzt das Krankenhaus in Villa Baviera (ehemals Colonia Dignidad) geleitet und war Mitglied deren Führungsspitze. Als solches hatte er das dazu gehörende Intensivinternat mitgegründet. Diese Organisation ermöglichte es dem charismatischen Leiter jener Gemeinschaft, dem zwischenzeitlich in Chile in Strafhaft verstorbenen Paul Schäfer, einige der dort aufhältigen Jungen zu vergewaltigen und andere sexuell zu missbrauchen. Die herausgehobene Stellung, die Hopp in der Organisation innehatte, veranlasste das chilenische Gericht zu der Annahme, dass auszuschließen sei, dass der Haupttäter Schäfer seine Missbrauchstaten ohne Billigung und Unterstützung seitens Hopp begangen haben könne. Hopp war in Chile letztinstanzlich wegen Beihilfe zur Vergewaltigung in vier Fällen und Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in 16 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Tag verurteilt worden. Von dem Vorwurf, in sechs weiteren Fällen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch geleistet zu haben, war er freigesprochen worden.
Im chilenischen Urteil festgestellte Verhalten von Hopp nach deutschem Recht nicht strafbar
Das Oberlandesgericht Düsseldorf verwies darauf, dass die Feststellungen der chilenischen Urteile trotz des außerordentlichen Umfangs ihrer Urteilsgründe nicht ausreichend seien, um nach deutschem Recht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Verurteilten Hopp wegen Beihilfe zur Vergewaltigung bzw. zum sexuellen Missbrauch oder wegen Strafvereitelung zu erfüllen. Das in dem chilenischen Urteil festgestellte Verhalten von Hopp sei nach deutschem Recht nicht strafbar. Es seien keine konkreten dienlichen Handlungen festgestellt worden, die durch eine Einwirkung auf die äußeren Umstände die Tatbegehung Schäfers zumindest objektiv erleichtert hätten. Den Feststellungen sei auch nicht zu ersehen, dass Hopp den Tatentschluss oder den Ausführungswillen Schäfers bestärkt hätte, indem er ihm durch sein Verhalten etwa ein Gefühl erhöhter Sicherheit vermittelte.
Voraussetzungen für Strafbarkeit wegen Beihilfe nicht gegeben
Der Umstand, dass Schäfer zur Tatbegehung die repressiven und autoritären Machtstrukturen der Colonia Dignidad bzw. Villa Baviera nutzte und Hopp über Jahre hinweg deren Führung angehörte und damit dieses System stützte, reiche ebenso wenig, wie das Mitwirken Hopps bei der Gründung des Internats, um eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Taten Schäfers zu begründen. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe hätte vielmehr vorausgesetzt, dass sich konkrete Handlungsweisen mit unmittelbarem Bezug zu dem organisierten Tatgeschehen hätten feststellen lassen. Die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen der chilenischen Gerichte würden indes keine Handlungen Hopps belegen, durch die Schäfer der Zugriff auf die untergebrachten Kinder ermöglicht oder erleichtert worden wäre. Anders als die Mitangeklagten M. und A. sei Hopp auch nicht mit der Auswahl der aufzunehmenden Kinder befasst gewesen, er habe Schäfer keine Kinder zugeführt und habe mit der Leitung des Internats in der Folge nichts zu tun gehabt. Die Leitung des Internats sei dem Mitangeklagten Dr. S. überlassen gewesen. Hopp sei dagegen mit der Leitung der Klinik der Colonia Dignidad bzw. Villa Baviera ein anderer Verantwortungsbereich betraut worden.
Kein Grund für nachträgliche ergänzende Beweiserhebung durch OLG
Zu einer nachträglichen ergänzenden Beweiserhebung zu Lasten des Verurteilten habe sich das Gericht nicht veranlasst gesehen. Eine solche sei insbesondere aus Rechtsgründen nicht durchzuführen. Die Durchführung einer eigenen Bewertung zur Verlässlichkeit von nicht im Urteil wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen sei dem Exequaturverfahren* nämlich grundsätzlich fremd. Das Exequaturgericht sei regelmäßig an die Tatsachenfeststellungen des ausländischen Erkenntnisses gebunden. Ein anders zu beurteilender Ausnahmefall könnte etwa bei offensichtlich falschen tatsächlichen Feststellungen im ausländischen Erkenntnis oder bei groben Verstößen gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gegeben sein. Ein derartiger Fall habe hier jedoch nicht vorgelegen.
* Hinweis:
Entscheidungen ausländischer Strafgerichte können nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) im sogenannten Exequaturverfahren im Inland für vollstreckbar erklärt werden. Beschwerdeinstanz gegen die Entscheidung des Landgerichts ist das Oberlandesgericht.
§ 49 Abs. 1 Nr. 3a IRG bestimmt, dass die Vollstreckung nur zulässig ist, "wenn auch nach deutschem Recht, ungeachtet etwaiger Verfahrenshindernisse und gegebenenfalls nach sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts, wegen der Tat, die dem ausländischen Erkenntnis zugrunde liegt, eine Strafe [...] hätte verhängt werden können".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.09.2018
Quelle: Oberlandesgericht Düsseldorf/ra-online
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