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Oberlandesgericht Celle Beschluss25.05.2010
Aufrechterhaltung einer Sicherungsverwahrung auch nach Ablauf der 10-Jahresfrist zulässigEntscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwingt nicht zur Entlassung von Sicherungsverwahrten
Eine Sicherungsverwahrung darf auch in so genannten Altfällen nach Ablauf der 10-Jahresfrist fortbestehen bleiben. Das entschied das Oberlandesgericht Celle und ist damit das erste Obergericht, das die Auffassung vertritt, das am 10. Mai 2010 rechtskräftig gewordene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 verpflichte nicht zu einer automatischen Freilassung von Sicherungsverwahrten nach Fristablauf.
Im konkreten Fall war der 59jährige Untergebrachte im Jahre 1987 wegen schweren Raubes und wegen versuchten schweren Raubes zu einer 15jährigen Gesamtfreiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Die Strafvollstreckungskammer hatte im März 2010 angeordnet, dass die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung auch nach 10jährigem Sicherungsverwahrungsvollzug fortzusetzen sei, da von dem Untergebrachten nach wie vor die Gefahr ausgehe, Straftaten zu begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Diese Entscheidung ist vom Gericht bestätigt worden.
Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die 1998 getroffene Neuregelung im deutschen Strafrecht, wonach die Sicherungsverwahrung auch nach Ablauf von 10 Jahren noch vollstreckt werden kann, wenn von dem Untergebrachten weiterhin erhebliche Gefahren ausgehen, in so genannten Altfällen gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention geregelte Rückwirkungsverbot (Art. 7) sowie das Recht auf Freiheit (Art. 5) verstößt (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil v. 17.12.2009 - 19359/04 -). Für die Gerichte stellt sich jetzt die Frage, welche Konsequenzen diese Entscheidung für zahlreiche Parallelfälle hat, in denen die Sicherungsverwahrung vor 1998 angeordnet worden ist, als noch eine Höchstgrenze von 10 Jahren galt, bei denen aber nach neuem Recht die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, weil von den Tätern nach wie vor eine erhebliche Gefährlichkeit ausgeht. Nach Presseberichterstattungen haben andere Gerichte aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits erste Freilassungen von Sicherungsverwahrten verfügt.
Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte widerspricht eindeutigem Willen des deutschen Gesetzgebers und zwingt nicht zur Entlassung der Untergebrachten
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Celle muss die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertretene Rechtsauffassung keinesfalls zur schematischen Entlassung der Untergebrachten führen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bindungswirkung von Urteilen des Eurpäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führt das Gericht aus, dass die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertretene Auslegung dem eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers und dem Wortlaut der deutschen Vorschriften widerspricht und daher nicht zur Entlassung der Untergebrachten zwingt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2004 die Vereinbarkeit der streitigen Regelung mit dem auch im Grundgesetz verankerten Rückwirkungsverbot und dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten erklärt.
Die Entscheidung ist rechtskräftig. Der Betroffene kann hiergegen lediglich Verfassungsbeschwerde einlegen.
Hinweis:
§ 67 d Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) lautet:
Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.06.2010
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Celle
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