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Oberlandesgericht Celle Urteil09.02.2011
OLG Celle: Männlicher Strafgefangener darf Damenbekleidung tragenAllgemeines Persönlichkeitsrecht und geschlechtliches Diskriminierungsverbot berechtigen Transsexuellen zum Tragen von Damenkleidern
Eine Justizvollzugsanstalt darf einem männlichen Gefangenen das Tragen von Damenbekleidung weder aufgrund allgemeiner Zweckmäßigkeitserwägungen noch unter dem bloßen Hinweis auf die Gefahr von Übergriffen anderer Gefangener untersagen. Dies entschied das Oberlandesgericht Celle.
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Gefangener in einer niedersächsischen Justizvollzugsanstalt bei der Anstaltsleitung die Erlaubnis dafür beantragt, Damenober- und -unterbekleidung erwerben und diese nach Einschluss tragen zu dürfen. Er begründete dies damit, seit längerer Zeit transsexuell zu sein und eine so genannte Alltagserprobung als Frau durchführen zu wollen.
Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen wichtiger einzuschätzen als sexuelle Orientierungslosigkeit
Die Anstaltsleitung - und insoweit ihr folgend das vom Gefangenen daraufhin angerufene Landgericht - hatte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die erstrebte Alltagserprobung könne innerhalb einer Haftanstalt nicht sozialverträglich vorgenommen werden. Außerdem sei der Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen anderer Gefangener als wichtiger einzuschätzen als seine sexuelle Orientierungslosigkeit. Selbst das Tragen der Damenbekleidung erst nach Einschluss berge die Gefahr, dass die Sachen von anderen Mitgefangenen entdeckt würden.
Gefangener will Damenbekleidung nur ohne Kontakt zu anderen Gefangenen tragen
Gegen diesen Beschluss legte der Gefangene Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht Celle ein. Der hiermit befasste 1. Strafsenat hält diese Erwägungen indes nicht für begründet. Eine Alltagserprobung in der Haftanstalt könne schon deshalb nicht sozialunverträglich sein, weil der Gefangen die Damenbekleidung nach Einschluss und damit ohne Kontakt zu anderen tragen wolle.
Anstaltsleitung muss vorrangig gegen Bedrohung ausübende Personen vorgehen, nicht gegen den Bedrohten
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das spezielle geschlechtliche Diskriminierungsverbot berechtigen, so das Gericht, grundsätzlich auch einen Mann zum Tragen von Damenbekleidung. Ein Verbot könne daher nicht aus allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen ergehen, sondern müsse vielmehr zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt erforderlich sein. Die Möglichkeit, dass der Gefangene im Falle des Entdeckens entsprechender Kleidungsstücke sexuellen und gewalttätigen Angriffen anderer Gefangener ausgesetzt sein könnte, könne im Einzelfall zwar Grund einer Versagung sein. Nach den Feststellungen des Gerichts muss die Anstaltsleitung jedoch vorrangig gegen diejenigen vorgehen, von denen eine rechtswidrige Bedrohung ausgeht, und nicht gegen den Bedrohten, der die ihm zustehenden Rechte ausübt. Erst, wenn die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Mitgefangenen ausgeschöpft sind, dürfe das Tragen der Damenbekleidung abgelehnt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2011
Quelle: Oberlandesgericht Celle/ra-online
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