21.11.2024
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Oberlandesgericht Celle Urteil09.02.2011

OLG Celle: Männlicher Strafgefangener darf Damenbekleidung tragenAllgemeines Persön­lich­keitsrecht und geschlecht­liches Diskri­mi­nie­rungs­verbot berechtigen Transsexuellen zum Tragen von Damenkleidern

Eine Justiz­voll­zugs­anstalt darf einem männlichen Gefangenen das Tragen von Damenbekleidung weder aufgrund allgemeiner Zweck­mä­ßig­keits­er­wä­gungen noch unter dem bloßen Hinweis auf die Gefahr von Übergriffen anderer Gefangener untersagen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Celle.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Gefangener in einer nieder­säch­sischen Justiz­voll­zugs­anstalt bei der Anstaltsleitung die Erlaubnis dafür beantragt, Damenober- und -unterbekleidung erwerben und diese nach Einschluss tragen zu dürfen. Er begründete dies damit, seit längerer Zeit transsexuell zu sein und eine so genannte Alltags­er­probung als Frau durchführen zu wollen.

Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen wichtiger einzuschätzen als sexuelle Orien­tie­rungs­lo­sigkeit

Die Anstaltsleitung - und insoweit ihr folgend das vom Gefangenen daraufhin angerufene Landgericht - hatte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die erstrebte Alltags­er­probung könne innerhalb einer Haftanstalt nicht sozia­l­ver­träglich vorgenommen werden. Außerdem sei der Schutz des Gefangenen vor möglichen Übergriffen anderer Gefangener als wichtiger einzuschätzen als seine sexuelle Orien­tie­rungs­lo­sigkeit. Selbst das Tragen der Damenbekleidung erst nach Einschluss berge die Gefahr, dass die Sachen von anderen Mitgefangenen entdeckt würden.

Gefangener will Damenbekleidung nur ohne Kontakt zu anderen Gefangenen tragen

Gegen diesen Beschluss legte der Gefangene Rechts­be­schwerde beim Oberlan­des­gericht Celle ein. Der hiermit befasste 1. Strafsenat hält diese Erwägungen indes nicht für begründet. Eine Alltags­er­probung in der Haftanstalt könne schon deshalb nicht sozia­lun­ver­träglich sein, weil der Gefangen die Damenbekleidung nach Einschluss und damit ohne Kontakt zu anderen tragen wolle.

Anstaltsleitung muss vorrangig gegen Bedrohung ausübende Personen vorgehen, nicht gegen den Bedrohten

Das allgemeine Persön­lich­keitsrecht sowie das spezielle geschlechtliche Diskri­mi­nie­rungs­verbot berechtigen, so das Gericht, grundsätzlich auch einen Mann zum Tragen von Damenbekleidung. Ein Verbot könne daher nicht aus allgemeinen Zweck­mä­ßig­keits­er­wä­gungen ergehen, sondern müsse vielmehr zur Aufrecht­er­haltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt erforderlich sein. Die Möglichkeit, dass der Gefangene im Falle des Entdeckens entsprechender Kleidungsstücke sexuellen und gewalttätigen Angriffen anderer Gefangener ausgesetzt sein könnte, könne im Einzelfall zwar Grund einer Versagung sein. Nach den Feststellungen des Gerichts muss die Anstaltsleitung jedoch vorrangig gegen diejenigen vorgehen, von denen eine rechtswidrige Bedrohung ausgeht, und nicht gegen den Bedrohten, der die ihm zustehenden Rechte ausübt. Erst, wenn die Möglichkeiten der Einwirkung auf die Mitgefangenen ausgeschöpft sind, dürfe das Tragen der Damenbekleidung abgelehnt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Celle/ra-online

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